Unser tägliches Leben "Mareike (Brasilien)"

 

 
 

08.06.2007

 
 

So, es ist schon wieder ziemlich lange her, aber ich wollte euch ja noch von meiner letzten Zeit in Brasilien berichten. Das Problem dabei ist nur, dass die letzten zwei Wochen sehr sehr krass waren und, ich glaube, nicht mehr wirklich alles zusammenbekomme. Das hängt damit zusammen, dass ich einfach noch soviel gemacht, kaum noch geschlafen und nur noch im Kinderhaus gegessen habe, weil ich daheim keine Zeit mehr hatte. Eigentlich war ich auch nur noch zum schlafen und duschen daheim. Ich habe bis zu meinem Abflug nicht richtig realisiert, dass ich gehe, das kam erst so richtig irgendwann in Hawaii.

Auf jeden Fall ging mein ganz normaler Alltag weiter, was ja ohnehin schon ziemlich viel war. Im Kinderhaus habe ich meine letzte Zeit genossen, die wirklich schön war und ich mich immer nur gefragt habe, was ich in Zukunft ohne die Kids machen soll. Auch mit den anderen Frauen war es echt toll, ich war jetzt auch öfters abends oder am Wochenende bei ihnen zum Essen, Nägel machen oder einfach zum quatschen…. Mit Amanda (die nur ein Jahr jünger ist wie ich) bin ich immer abends recht viel unterwegs gewesen oder wir haben uns zusammen aufgerafft zum joggen.

Vor allem haben wir es aber in meiner letzten Woche noch geschafft die Spielsachen, von dem gespendeten Geld, einkaufen zu gehen. Ich sage euch, dass war echt eine Aktion, aber eine total lohnende. Wir, also Dirce, ihre Schwester, Amanda und ich, sind wieder mit dem alten VW- Bus (das war der gleiche mit dem wir auch nach Foz do Iguacu gefahren sind) losgetuckert und haben dann mal die Spielzeugläden in Maringa unsicher gemacht. Ich muss mich an dieser Stelle noch mal bei allen Spendern ganz herzlich bedanken, weil das was da zusammengekommen ist, ist echt fantastisch. Es waren letztendlich unglaubliche 903,57 Euro und in Reais gigantische 2484,80. Also wirklich vielen vielen Dank, ich finde es immer noch krass, wenn ich die Zahlen sehe.
Zunächst haben wir in den verschiedenen Läden geschaut was es alles so gibt und bisschen Preise verglichen und dann ging es los….In dem einen Laden haben wir eigentlich nur die ganzen Sachen neben die Kasse gestellt, der Berg ist immer mehr gewachsen und gewachsen, die Kassiererinnen sind so langsam ins schwitzen gekommen und wir waren einfach nur total euphorisch was wir alles kaufen können. Ich glaube so viele Spielsachen auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen und das Beste war einfach, dass wir das alles mitnehmen konnten. Leider habe ich kein Photo vom VW- Bus wie er nach dem Einkauf aussah, der war echt bis unters Dach voll.

Und so sah das ganze im Spielzimmer aus, damit ihr euch einfach auch mal ein Bild davon machen könnt:

Die Kids waren auch total begeistert und wussten gar nicht mit was sie anfangen sollen zu spielen. Wir haben beim einkaufen auch wirklich darauf geachtete, dass wir was für die Mädels (Puppen, Puppenwagen), für die Jungs (Spielzeugautos in den verschiedensten Versionen), für die Kleineren (große Autos, „Krachmachermaschinen“) und was für die Babys (Rasseln, Kauteile) haben.

Mein zweites Highlight, in dieser Woche, war Rodeo und zwar wurde in Colorado (ca. 100km von Santa Fe entfernt) das alljährliche Rodeofestival veranstaltet. In Brasilien ist Rodeo, sowohl auf dem Pferd, als auch auf einem Bullen, total populär. Ich fand es sehr interessant mal live dabei zu sein, da wir das ja in Deutschland so gut wie nicht haben.
Die Show fing zunächst mit einer kleinen Pferdeschau an. Danach sind die ganzen Rodeoreiter in die Arena marschiert und es wurde zusammen das „Vater unser“ gebetet, was wirklich sehr imposant war, da auch die ganzen Zuschauer standen und mitgebetet haben.
Dann ging das Rodeo los, angefangen wurde mit Pferden. Um weiterzukommen mussten die Sportler 8 Sekunden auf dem buckelnden Pferd bleiben, danach erschallte ein Gong und zwei „Gehilfen“ auf Pferden haben den Sportler vom Pferd gezogen und dessen Pferd eingefangen. All diejenigen, die die 8s geschafft hatten, mussten in der zweiten Runde auf den Bullen reiten, nur ging es diesmal darum wer am längsten oben bleibt.
Das ganze sah zum Teil echt sehr krass und nach Schmerz aus. Einer wurde auch aus der Arena getragen und ich glaube ein anderer hat sich die Nase gebrochen…...

Das Rodeo war donnerstags und samstags darauf bin ich auch schon geflogen. Freitags bin ich dann noch mal ins Kinderhaus, wobei die Mädels mich ziemlich bald zum packen heimgeschickt haben, weil sie eine kleine Abschiedsfeier für mich vorbereiten wollten. Also bin ich ganz brav heim und hab meine Taschen gepackt, was dann doch ein ziemlicher Kraftakt war, weil ich (erstaunlicherweiseJ) viel zu viele Sachen hatte und meine Taschen einfach nicht zubekommen habe. Um drei bin ich wieder zurück ins Kinderhaus, wo mich dann wirklich eine kleine und sehr schöne Abschiedsfeier erwartet hat. Es gab Pizza, sowas wie Lasagne und eine Schokoladentorte, die sogar für mich extra ohne Kokosnuss war (zu meinem Leidwesen ist in Brasilien normalerweise in sämtlichen Suespeisen Kokosnuss drin). Ich habe dann noch eine schöne Tasche und Ohrringe geschenkt bekommen. Danach habe ich zum letzten Mal „meine“ Kids geduscht und habe mich dann doch sehr tränenreich von den ganzen Kinderhausfrauen verabschiedet, die mir alle sehr sehr ans Herz gewachsen sind und, ich glaube, ich ihnen auch…

Der Abschied von den ganzen anderen aus Santa Fe, mit denen ich viel zu tun hatte, war dann leider nicht so berauschend. Zunächst musste ich noch mein restliches Zeugs fertig packen, wobei ich fast verzweifelt bin. Irgendwann habe ich mich dann zur Fanfare aufgemacht, um mich von den ganzen Leuten dort zu verabschieden. Leider war die Probe schon vorbei, da an dem Tag so wenig gekommen sind. Auch auf der Strasse, wo sich sonst immer die ganze Jugend abends getroffen hat, war nicht wirklich viel los. So habe ich mich wirklich nur von sehr wenigen verabschiedet, was ich dann doch sehr schade fand. Allerdings kamen am Samstagmorgen noch ein paar, um sich von mir zu verabschieden, was dann wiederum sehr schön war…

Ich hatte keinen gemütlichen Direktflug nach Hawaii wie Patrick, sondern musste erstmal samstags von Maringa nach Sao Paulo fliegen. Natürlich hatte der Flug zwei Stunden Verspätung und musste dann auch noch eine Ewigkeit über Sao Paulo kreisen, da es dort stark regnete. Aus diesem Grund landeten wir dann auch nicht wie geplant auf dem nationalen Flughafen, sondern auf dem ca. eine Autostunde entfernten internationalen Flughafen von Sao Paulo. Da stand ich dann, anstatt wie geplant um zwei sind wir um sechs Uhr gelandet und ich musste irgendwie versuchen den Bruder von Helton zu erreichen, der mich abholen wollte und bei dem ich eine Nacht bleiben wollte, da mein Weiterflug erst am nächsten Tag ging.

Bei Everton (Bruder von Helton) habe ich dann erstmal meinen ganzen Schlaf der letzten Wochen nachgeholt….
Als ich dann am Sonntag auf dem internationalen Flughafen angekommen bin, hat mich fast der Schlag getroffen, die Schlange bei Delta war unendlich. Der Grund war, dass am vorigen Tag der gleiche Flug wegen Streiks gecancelt wurde. Natürlich ist der Flug auch diesmal erst mit einiger Verspätung gestartet. Da ich immer noch nicht direkt nach Hawaii geflogen bin, sondern erst nach New York, kam ich doch ein bisschen ins schwitzen. Bei meinem Flugglück habe ich dann natürlich meinen Weiterflug in New York verpasst, was hieß: sechs Stunden auf dem New Yorker Flughafen….
Auch diese sechs Stunden gingen irgendwann mal rum, und so ging es um 16 Uhr weiter nach Las Vegas, wo ich auch wieder eine Nacht Aufenthalt hatte.
Ich bin dann endlich irgendwann um 10 abends in meinem Hostel angekommen, habe schnell geduscht und bin dann noch mit zwei Kerlen, aus meinem Zimmer, in die Innenstadt gegangen. Ich sage euch, sowas wie in Las Vegas habe ich noch nie gesehen, das war echt wie ein Spielplatz für Erwachsene, überall Lichter, riesige Themen- Hotelkomplexe und einfach nur Luxus. Auch wenn ich nur eine Nacht dort war, war das ganze sehr beeindruckend und lohnenswert.
Als ich am nächsten Tag wieder im Flieger (diesmal endlich nach Hawaii) saß, habe ich Las Vegas auch noch mal von oben gesehen, und das war mindestens genauso beeindruckend, da diese Stadt komplett in der Wüste liegt und man wirklich weit und breit nichts sieht. Ich fand das hatte so was von einer hypermoderne, lichterueberstroemte Insel mitten im (Wüsten-) Meer.

Man glaubt es kaum, aber ich habe es dann doch tatsächlich geschafft in Honolulu anzukommen, wo ich dann noch eine halbe Stunde warten durfte, bis dann endlich auch Patrick aus Vancouver ankam. Unser erstes Treffen, nach einem halben Jahr, war dann nicht so romantisch wie ihr es euch vielleicht vorstellt, was einfach daran lag, dass ich total am Ende war, da ich die letzten Tage nicht wirklich viel geschlafen habe, ständig irgendwo am Flughafen rumgehangen bin und dazu kamen auch noch die ganzen Zeitverschiebungen…… aber trotz allem waren wir sehr froh uns wiederzuhaben!

 
 
 

Fazit Brasilien

 
 

Bevor ich mein Fazit über meinen Brasilienaufenthalt schreibe, muss ich erst einmal was vorwegnehmen: Falls bei euch der Eindruck entstehen sollte, mir hat es in Brasilien nicht gefallen oder ich habe von den Menschen dort nichts gehalten, liegt ihr völlig falsch. Ich bereue nichts und würde immer wieder nach Brasilien gehen. Es hat mir wirklich gut gefallen und das habe ich ja auch immer geschrieben, trotzdem gab es natürlich auch negative Dinge….
Außerdem muss man immer im Hinterkopf haben, dass ich in einem Dorf gewohnt habe, indem es zwar 9000 Einwohner hatte, aber schlimmer war wie das letzte Kuhdorf in Deutschland, also ständiges „Big Brother is watching you“, was es in den groesseren Städten vermutlich so nicht gibt.

Die Brasilianer sind wirklich ein total herzliches und offenes Volk, aber leider auch total unzuverlässig. Da wird dann zu einer Verabredung viel zu spät gekommen oder erst gar nicht, oder Sachen, die sie einem bringen wollen, bekommt man nie zu Gesicht. Am Anfang habe ich mich darüber doch ziemlich aufgeregt, weil es einfach nervig ist, wenn man sich auf was einstellt oder was vorbereitet und dann kommen die Herrschaften einfach nicht. Irgendwann war mir das aber dann zu blöd und ich habe mich einfach angepasst…...
Eine andere Sache, die mir am Anfang nicht so auffiel, aber mit der Zeit immer nerviger wurde, war einfach, das man das Gefühl hatte, das die Menschen dort einfach keine anderen Themen kennen, wie irgendwelche Liebesbeziehungen, oder irgendwelche Fremdgänge oder einfach allgemein das Leben der anderen. Es ist einfach krass, wenn der ganze Lebensinhalt nur darin besteht und ernsthafte Probleme oder Themen einfach unter den Tisch gekehrt oder verharmlost werden.
Für mich war es auch immer sehr schwer zu verstehen, wie die Frauen zum Teil behandelt wurden. Es war ganz klar, dass die Frau den Haushalt zu schmeißen hatte und dem Mann im Endeffekt alles hinterher geräumt wurde.
Jedoch fand ich am krassesten, dass man das Gefühl hat, dass einfach ein Menschenleben nicht soviel wert ist und dass oftmals viel Gewalt in den Familien herrscht. Ich glaube in der Zeit, in der ich in Santa Fe war, wurden vier Frauen von ihren Männern verprügelt, eine davon sogar erstochen, und an Silvester wurde einer im 10 km entfernten Schwimmbad erschossen…Auch der Bruder von Helton, der als Polizist in Sao Paulo arbeitet, hat mir immer mal wieder haarsträubende Geschichten erzählt. Aus Angst angegriffen zu werden (vielleicht auch um bisschen anzugeben) trägt er immer, und ich meine wirkliche immer, seine Pistole mit sich rum.
Doch solche Sachen waren immer sehr weit weg von mir, ich habe sie zwar alle immer mitgekriegt, aber habe mich immer sicher gefühlt, und hatte, bis auf einmal, nie irgendwelche Probleme.

Eigentlich wollte ich ein viel längeres und strukturierteres Fazit schreiben, aber alles was ich mir vorher im Kopf zusammengelegt habe, fällt mir jetzt nicht mehr ein. Außerdem ist das irgendwie sehr schwer auf Papier zu bringen. Deshalb ende ich hier einfach, und wenn ihr Interesse habt, können wir darüber lieber mal persönlich reden.

Damit sind jetzt auch meine Berichte aus, bzw. über, Brasilien beendet, ich hoffe sie waren informativ und interessant und zeitweise nicht zu langweilig und zu lange.
Machts gut,

Mareike

 
 
 

16.03.2007

 
 

So, nun ist es mal wieder soweit, ich habe mich vor den PC gesetzt und werd jetzt mal wieder einen neue Bericht fabrizieren, was eine längere Angelegenheit werden könnte, da es doch mal wieder einige Zeit her ist seit dem letzten.....

Also, nachdem ich geschaut habe, weiss ich jetzt auch wieder, wo ich das letzte Mal geendet habe: Mitte November. Natürlich weiss ich jetzt nicht mehr was ich Tag für Tag so getrieben habe, aber ich glaube das wäre auch nicht so spannend...

Auf jeden Fall habe ich weiterhin im Kinderhaus gearbeitet und meinen Deutschunterricht gegeben. So langsam ging es dann auch auf Weihnachten zu, was für mich, bei den Aussentemperaturen, die wir hatten, doch sehr unvorstellbar war. Überall wurde weihnachtlich geschmückt, auch im Kinderhaus. Natürlich gibt es hier keine echten Tannenbäume. Aber da die Brasilianer sehr kreativ sind, wurden einfach kurzer Hand aus grünen Plastikflaschen Tannenbäume gebastelt. Ich hatte die Ehre auch bisschen helfen zu dürfen...

Das Ganze sah dann folgendermassen aus:

Man nehme Plastikflaschen, entfernt den Boden und schneidet dann die ganzen Flaschen mit der Schere in Streifen, aber so dass sie oben am Hals noch zusammen hängen. Danach taucht man sie ins kochende Wasser. Das hat dann zur Folge, dass sich die Streifen schön einrollen und kräuseln. Zuletzt wird dann der Hals abgeschnitten (aber so dass das Ganze immer noch zusammenhängt) und dann mit Draht an einem Tannenbaumgestell befestigt.

So entstand zum Beispiel dieser Tannenbaum:


1

Er besteht circa aus 2000 Flaschen. Ich muss euch ja jetzt nicht erzählen wie viel Arbeit das war. 

So wurde Santa Fé nach und nach immer weihnachtlicher....

Irgendwann Anfang Dezember war dann die Ankunft des Weihnachtsmannes in Santa Fé, bei der wir auch mit der Blockflötenklasse gespielt haben.

Ich glaube ich muss euch mal ein bisschen was zu unseren Auftritten erzählen. Also, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch keinen Blockflötenunterricht gegeben, sondern nur ab und zu mal mitgespielt. Wir hatten echt immer ziemlich viele Auftritte bei diversen Veranstaltungen, wie zum Beispiel Eröffnungsfeiern, irgendwelche Antidrogenaktionen usw. Auch wenn das Ganze immer etwas schief geklungen hat, waren immer alle sehr begeistert. Ich fand es nur sehr krass, bei uns in Deutschland würde wahrscheinlich keiner darauf kommen so eine „poplige“ Blockflötenklasse einzuladen um irgendwelche Veranstaltungen zu umrahmen, sondern da würde dann schon eher ein Musikverein antanzen. Aber hier war das echt immer mehr wie genug und alle waren zufrieden. 

So, nun wieder zurück zu der Ankunft des Weihnachtsmannes. Der ist dann wirklich mit Kutsche und Knecht gekommen, die Kids sind alle total ausgeflippt, was vielleicht auch an den Bonbons lag die er verteilt hat. Wir und ein Chor haben dazu dann schön Weihnachtslieder geträllert.

Der Weihnachtsmann sass dann jeden Abend bis Weihnachten auf dem Kirchplatz (siehe Foto oben), hat sich von den Kids bestürmen lassen und die stolzen Eltern haben Fotos geschossen.

Auch im Kinderhaus haben wir eine kleine Weihnachtsfeier am letzten Tag vor den Ferien gemacht (22.12.06), an der es dann Pizza, Süssigkeiten und Cola gab. Zum Schluss ist dann noch der Weihnachtsmann gekommen (wohlgemerkt mit einem alten Käfer) und hat Geschenke verteilt.  Das war echt lustig, weil die Kids zwischen Furcht und Freude geschwankt sind, sie haben zum Teil gleichzeitig geheult, gezittert und gelacht.

Nachdem dann die Geschenke verteilt waren, der Weihnachtsmann wieder gegangen und die Kids selig waren, kamen auch schon die Eltern zum Abholen. Das war dann doch bisschen traurig, weil einige Kinder den letzten Tag im Kinderhaus waren und von nun an in die Kindergrippe oder in die Schule gehen würden. Der Abschied ist uns allen dann auch etwas schwer gefallen, weil die Kinder einem wirklich total ans Herz wachsen.

Danach war das Kinderhaus dann bis Ende Januar geschlossen.

 

Zwischendurch war noch Weihnachtsfeier der Fanfare, zu der eigentlich die ganzen Leute der Fanfare mit ihren Familien gekommen sind. Es wurden dann noch die jeweils Besten beschenkt und später hat die Band hier aus  Santa Fé gespielt. Es war einfach ein sehr schöner Abend. 

Auch hier kam dann der 24., und somit Weihnachten, was für mich immer noch sehr komisch war, weil es weiterhin sehr warm war. Mit Weihnachten kam dann doch auch bisschen Heimweh....

Es war ein sehr ungewöhnliches Weihnachtsfest. Abends kamen einige Freunde, Bekannte und Nachbarn, von denen ich viele nicht gekannt habe. Alle sassen draussen zusammen. Zum Essen gab es einfach nur Obst und Fingerfood. Das Ganze war irgendwie sehr unfamiliär und Geschenke gab es auch überhaupt nicht. Um Mitternacht bin ich dann auf die Hauptstrasse gegangen, wo wirklich Halli- Galli war und hab dort die ganzen Leute getroffen mit denen ich sonst auch immer viel mache. So wurde es noch eine sehr feucht- fröhliche Nacht, und Weihnachten mal ganz anders. 

Am 26.12 kamen dann zwei weitere Deutsche hierher auf Besuch: Achim und Bernd. Achim hat hier vor zwei Jahren auch ein freiwilliges soziales Jahr gemacht und die Möbel für die Schule geschreinert. Bernd ist einfach als sein Freund mitgekommen. Mit ihnen wars echt klasse. Wir haben es natürlich auch geschafft schon am ersten gemeinsamen Abend unser Klischee als deutsche Trinker zu bestätigen. Aber wie hat Bernd immer so schön gesagt: „Ist der Ruf erst ruiniert lebt es sich ganz ungeniert.“

Für mich war es auch wirklich mal schön mit welchen reden zu können ohne ständig nachdenken zu müssen wie ich jetzt was sage. Wir haben dann auch die folgenden zwei Wochen ziemlich viel zusammen gemacht und sind meistens auch abends immer zusammen weggegangen. 

Als nächstes stand dann Silvester vor der Tür, was eigentlich auch nur Party hiess. Auf der Hauptstrasse standen sich echt die Menschenmassen auf den Füssen rum, ich glaube an dem Abend war ganz Santa Fé auf den Beinen. Auch die Band hier aus Santa Fé hat wieder gespielt und um zwölf gab es dann ein schönes Feuerwerk. Es war echt ein schönes Silvester und es war auch schön, dass Achim und Bernd noch da waren. 

Und dann war es auch schon bald soweit, am 9. Januar wollte meine Mutter kommen, worauf ich mich sehr gefreut habe.

Doch vorher gab es noch ein Problem: Mir ist irgendwann siedend heiss eingefallen, dass ich mich mal um mein Visum kümmern sollte. Ich hatte es immer wieder im Kopf, doch immer wieder vergessen, Helton zu fragen was ich machen muss. Das Problem war, dass ich nur ein Touristenvisum hatte, das für drei Monate galt. Nach den drei Monaten musste ich zu einer Police Federal um es für weitere drei Monate verlängern zu lassen. Naja, als es mir irgendwann am 2. Januar eingefallen ist, war es dann leider schon zu spät. Die Frau bei der Police Federal in Maringá hat gemeint ich müsse nach Paraguay ausreisen und danach wieder einreisen und somit mein Visum verlängern. Das hat eigentlich dann doch ganz gut gepasst, da ich mit meiner Mutter nach Foz do Iguaçu wollte, was ja bekanntlich am Dreiländereck Paraguay- Brasilien- Argentinien liegt..... 

Dann war es endlich soweit, meine Mutter ist gut und ohne Probleme in Maringá gelandet. Es war echt toll sie wieder sehen zu können und ihr auch einfach mein vorübergehendes zu Hause zu zeigen. Zwei Tage später sind wir dann auch schon zu unserer kleinen Brasilienreise aufgebrochen....

Da ich glaube, dass nicht jeder gerade eine Karte von Südbrasilien im Kopf hat, füge ich euch hier einen Kartenausschnitt ein, damit ihr das alles schön verfolgen könnt.


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Zunächst ging es also nach Foz do Iguaçu, um dort die berühmten Wasserfälle zu besichtigen. Dorthin sind wir mit einem alten VW- Bus gefahren, da Helton, Dirce (Leiterin des Kinderhauses), Dirlene (Schwester von Dirce), Amanda (sie arbeitet mit mir im Kinderhaus), Achim und Bernd auch mit gefahren sind. War echt eine sehr spassige Angelegenheit, weil richtig schnell ist der VW- Bus nicht gefahren und ein Lärm hat er gemacht wie ein Traktor. Wir sind dann, nachdem wir die ganze Nacht durchgefahren sind, gegen 10 Uhr morgens gut in Foz angekommen, leider bei Regen, der sich jedoch ziemlich schnell wieder gelegt hat.

Es war dann so, dass wir vier Deutschen zusammen unterwegs waren und die vier Brasilianer, was daran lag, dass wir noch eine extra Bootstour mitgemacht haben. Diese sollte ziemlich nahe zu den Wasserfällen führen. Leider ging sie dann doch nicht direkt hin, aber es war trotzdem ganz interessant und vor allem sehr nass. Falls ihr jemals die Wasserfälle besichtigen solltet, lasst es euch ein guter Rat sein, nehmt auf jeden Fall Ersatzkleider mit.

Danach sind wir dann zu Fuss zu den Wasserfällen gelaufen. Es war gigantisch, erstens hatte man das Gefühl gehabt mitten im Dschungel gelandet zu sein, es gab wirklich die tollsten Pflanzen und Bäume und dazu hat man überall Echsen, tolle Schmetterlinge und Streifenhörnchen entdeckt. Und dann waren da natürlich die Wasserfälle, die wirklich atemberaubend waren. Das schöne war, dass man über einen Steg ziemlich nahe an die Wasserfälle gelangte und so quasi mittendrin war.

Vielleicht schaut ihr euch einfach mal die Fotos an, ich glaube die können einen besseren Eindruck geben wie geschriebenes. Das gilt eigentlich auch für meinen ganzen Reisebericht....

Nach einem wirklich schönen Tag haben uns die anderen noch zu unserem Hostel gebracht und sind dann wieder die 600 km zurück nach Santa Fé gefahren. Das einzige Traurige daran war, dass das auch der letzte Tag mit Achim und Bernd war, die dann noch nach Rio gefahren sind und eine Woche später auch schon wieder zurück nach Deutschland. War wirklich eine tolle Zeit mit ihnen.

Dafür war unser Hostel sehr schön, es hatte einen tollen, exotischen Garten und einen schönen Barbereich mit Swimmingpool.

Nicht wie eigentlich geplant, noch einen Tag länger bei den Wasserfällen zu bleiben, sind wir schon am nächsten Tag wieder aufgebrochen. Wir wollten erst schnell das mit meinem Visum erledigen um dann weiter nach Paraguay zu fahren, wo wir eine Frau besuchen wollten, die meine Mutter aus Jöhlingen kannte und deren Familie in Paraguay wohnt, wo sie gerade auf Urlaub war. 

Wie beschlossen sind wir am nächsten Tag zur Grenze nach Paraguay gefahren, was schon mal ein kleiner Akt war, aber wir haben es geschafft. Auf jeden Fall sind wir dort angekommen, es war Samstag, und ihr könnt euch nicht vorstellen was da los war, so was habe ich echt in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Da in Paraguay alles viel billiger ist, kaufen sehr viel Ladenbesitzer, aber auch Privatleute, ihr Zeugs dort ein (also hauptsächlich elektronische Geräte wie DVD- Player, MP3- Player usw., aber auch vieles mehr) und schleppen dann echt tonnenweise das Gekaufte über die Grenze. Eigentlich wollte ich davon noch ein Foto für euch machen, hatte aber später keinen Nerv mehr dazu....
Ich bin dann zu dem Schalter für mein Visum gegangen, habe so einem jungen Zollbeamten meinen Pass in die Hand gedrückt und habe gefragt, wenn er mich jetzt ausreisen lässt ob ich dann später wieder einreisen könne. Er hat sich das Ganze angeschaut und hat mich dann nach dem Zettel gefragt den man im Flugzeug bekommt, ich weiss nicht ob ihr das kennt, das ist einfach so ein Zettel auf dem dein Name, deine Herkunft, dein Geburtsdatum, deine Passnummer und das Einreisedatum steht. Ich hatte natürlich diesen Zettel nicht dabei, weil mir die nette Frau bei der Police Federal in Maringá davon auch nichts gesagt hat.

Ich habe mit dem Beamten dann bisschen rumdiskutiert, er hat gemeint, dass das Strafe von 160 Reais kosten würde. Das wäre allerdings kein so ein grosses Problem gewesen, solange ich einfach mein Visum verlängert bekommen hätte. Als er dann aber gesehen hat, dass ich schon über die 90 Tage in Brasilien bin, war es vorbei, fragt mich nicht warum, er hat dann nur gemeint, er kann mich jetzt ausreisen lassen, aber dann kann ich nicht mehr einreisen. Ich habe nicht locker gelassen und gefragt was ich denn jetzt machen soll (Gott sei Dank, dass ich portugiesisch schon recht gut beherrscht habe, ohne Sprachkenntnisse wäre ich mit ziemlicher Sicherheit aufgeschmissen gewesen). Irgendwann hat dann ein anderer Zollbeamter mit mir angefangen rumzudiskutieren und mir wirklich die tollsten Möglichkeiten dargeboten:

Ich solle jetzt einfach nach Paraguay gehen ohne auszureisen, oder ich solle zur Police Federal in Florianópolis (wo meine Mutter und ich als nächstes hinwollten) gehen und die würden mir dann das Visum verlängern, da hab ich dann nur gemeint warum sie das machen würden und die in Maringá nicht, darauf wusste er dann auch nicht mehr soviel zu sagen. Das nächste war dann, ich solle einfach hier bleiben ohne gültiges Visum und wenn ich dann wirklich ausreise, werden die das am Flughafen sehen und das in meinem Pass vermerken. Ich müsste dann nur im brasilianischen Konsulat in Deutschland meine Strafe von circa 800 Reais zahlen. Das war mir aber erstens bisschen zu teuer (seine Lösung dafür war, dass ich doch einfach 10 Jahre oder so warten solle und dann wäre das Ganze aus den Systemen draussen....) und zweitens war mir das etwas zu gefährlich wenn ich danach noch eine Weltreise machen will. Dann hat er noch gemeint ich solle an die argentinische Grenze gehen und es dort versuchen, die würden das schon machen, ich hab nur gemeint ob er mir das garantieren könne und warum die das machen sollten, wenn sie es hier nicht machen.

Auf jeden Fall haben wir noch eine Zeit lang weiter diskutiert und ich glaube er hätte mir die Stempel noch gegeben, wäre da nicht der andere Beamte gewesen.

Das Ergebnis war, dass ich mit einem Haufen sinnlosen Vorschläge da stand, nervlich total am Ende war und vor allem kein Visum hatte und auch keinerlei Ahnung wie ich zu einem kommen sollte....

Irgendwann hat meine Mutter dann entschlossen, dass wir jetzt zur argentinischen Grenze fahren. Also haben wir uns ein Taxi gesucht. Ich habe dann gedacht ich frage mal noch den Taxifahrer, vielleicht hat er ja noch eine Idee. Er hat dann nur gemeint wir sollen gar nicht erst an der Grenze halten, sondern einfach nach Argentinien gehen und dort ein Tag bleiben und am nächsten Tag wieder nach Brasilien einreisen. Ich fand das nicht wirklich überzeugend, aber er hat gemeint, dass würde auf jeden Fall klappen. So sind wir dann zur argentinienschen Grenze gefahren...

Ihr müsst euch das so vorstellen, dass dort erst die Police Federal Brasilien kommt und dann muss man so circa 3 km fahren, über eine Brücke drüber, und erreicht dann die Police Federal Argentinien.

Wir standen dann vor der Police Federal Brasilien und der Taxifahrer wurde so langsam ungeduldig, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich jetzt durchfahren will oder nicht. Bei mir war einfach nur die Angst, dass ich dann am nächsten Tag nicht mehr einreisen könne. Auf Drängen hin habe ich dann gemeint, dass er fahren soll. So sind wir aus Brasilien raus gefahren und mir ging es eigentlich nur noch schlechter. Er hat uns dann vor der Police Federal Argentinien raus gelassen, damit wir zu Fuss über die Grenze laufen können. Ich wollte mich erst einmal irgendwohin setzen, um meine Gedanken zu sortieren. So sassen wir dann zwischen den Grenzen, ich war total am Ende und auch meine Mutter war mittlerweile ziemlich gestresst. Irgendwann habe ich dann beschlossen, Helton anzurufen, vielleicht hatte er noch eine andere Lösung. Das war dann auch eine sehr gute Entscheidung, weil der mich erstmal beruhigen konnte und gesagt hat, dass wir das schon hinkriegen, bis jetzt haben sie das schon mit allen Visen hinbekommen. Er hat mich dann kurze Zeit wieder zurückgerufen und hat gemeint, dass er bei der Police Federal in Foz do Iguaçu angerufen hat und der Mensch dort gemeint hat, dass das alles eigentlich kein Problem sei und er das auch nicht wirklich verstehen würde, warum das nicht geklappt hat, aber es wäre auch immer so ein bisschen von den Launen der Zollbeamten abhängig...

Auf jeden Fall hat Helton die Telefonnummer von der Police Federal Brasilien an der Grenze zu Paraguay bekommen und wollte dort dann anrufen um einem Zollbeamten die Situation zu erklären und genau zu diesem Beamten sollte ich dann später gehen. Das war dann alles schon mal eine grosse Erleichterung, auch wenn das hiesse wieder zurück zur Grenze nach Paraguay. Ich habe dann aber noch gemeint, dass ich gerade zwischen Brasilien und Argentinien sitzen würde und es hier mal noch versuchen werde.

Also habe ich meine Mutter mit dem Gepäck zurückgelassen um ein Taxi zu suchen, dass mich wieder die 3 km zurück zur Police Federal Brasilien bringt. Ich habe dann, oh Wunder, einen Wohnwagen mit deutschem Kennzeichen entdeckt und im gleichen Moment ist ein Mann, so mitte fünfzig, an mir vorbeigelaufen mit weinroten Pässen in der Hand. Den habe ich dann auch gleich mal bisschen plumb angesprochen, ob er Deutscher sei. Als er dies bejahte, habe ich ihn gefragt ob er mich das Stückchen bis zur Police Federal Brasilien mitnehmen könnte. Wirklich begeistert war er nicht, hat mich aber zu seiner Frau geschickt, die ich fragen sollte. Die hat dann allerdings nur gemeint:  „Eigentlich nehmen wir grundsätzlich niemanden mit.“ Das Ganze wurde mir dann doch zu blöd. Ich habe dann nur gemeint, es wäre schon ok und dass ich mich nicht aufdrängen wollte und bin von dannen gegangen. Ich finde es aber schon der Hammer, da trifft man in einem Land, meilenweit von Deutschland entfernt Deutsche, die dann nicht mal bereit sind zu helfen.... Ich habe dann glücklicherweise ein Taxi gefunden, dass mich dann zurück zur Police Federal Brasilien gefahren hat.

Dort angekommen, durfte ich mich erstmal in eine schön lange Schlange stellen. Als ich dann an der Reihe war, ging dass gleiche Spielchen von vorne los. Nur dieses Mal sah der Zollbeamte überhaupt kein Problem darin mir die Stempel zu geben. Ich müsse nur meine Strafe für den „verlorenen“ Zettel (den ich oben schon beschrieben habe) und die Tage, die ich schon zu viel in Brasilien war, zahlen. Da hat sich bei mir dann doch erstmal Erleichterung breit gemacht. Das nächste Problem hat allerdings nicht lange auf sich warten lassen: Ich musste die Strafe bei einer Banco Brasil zahlen und da es Samstag war, hatte keine Bank mehr  offen. So hätte ich frühestens montags darauf meine Strafe zahlen können. Ich habe dann gefragt ob es nicht irgendeine Möglichkeit gäbe, ich hätte das Geld bei mir und vor allem ich wolle an diesem Abend noch weiter nach Florianópolis. Er hat gemeint, da sei nichts zu machen. Mir ist dann aber eingefallen, dass ich an der Grenze zu Paraguay eine Banco Brasil gesehen hatte, und habe dann gemeint, dass ein Freund mir das erzählt hätte (wollte ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich es schon dort versucht hatte). Der Zollbeamte ist daraufhin losgetigert um dort anzurufen und zu fragen ob die Bank noch offen hat.

Als er zurückkam, hat er gemeint, dass niemand abgenommen hatte, dass er es aber noch mal versuchen wird und ich einfach bisschen warten solle.

Nach einiger Zeit hat er mich dann zu sich her gewunken und hat mir diesen besagten Zettel in die Hand gedrückt. Ich habe mich zwar bisschen gewundert, was das jetzt gibt, habe aber brav angefangen ihn auszufüllen.

Lustigerweise kam noch das nette Ehepaar, das es nicht für nötig gehalten hatte mich mitzunehmen. Sie hatten auch irgendwelche Visa technischen Probleme und ich durfte dann den Übersetzer spielen, da die Gutschten kein Wort Portugiesisch oder Spanisch gesprochen haben und auch ihr Englisch sehr gebrochen war (wobei Englisch sie wahrscheinlich auch nicht weitergebracht hätte, da die Zollbeamten fast ausschlieslich nur portugiesisch oder spanisch verstanden).

Wie ich dann später erfahren habe, sind die zwei schon ein halbes Jahr mit ihrem Wohnwagen durch Südamerika gereist. Ich finde es ehrlich gesagt schon bisschen traurig und auch etwas gefährlich, wenn man so lange unterwegs ist und weder Portugiesisch noch Spanisch lernt.... Mir war es dann aber schon eine Genugtuung, dass sie auf meine Hilfe angewiesen waren. Sie wurden dann komischerweise auch sehr freundlich, wobei ein „Entschuldigung“ konnten sie sich dann doch nicht abringen.

Zurück zu meinem Visum: Als ich dann den Zettel ausgefüllt hatte, bin ich wieder an den Schalter, der Beamte hat den Zettel und meinen Pass an sich genommen und dann kam das Unfassbare: Er nimmt seinen Stempel und macht mir einfach meine zwei Stempel in den Pass: Ausreise und erneute Einreise. Ich war etwas perplex und habe nur gefragt: „Und was jetzt?“ Seine Antwort war: „Geh nach Florianópolis.“ Ihr könnt euch nicht vorstellen was mir in dem Moment vom Herzen gefallen ist. Ich wäre diesem Menschen am liebsten um den Hals gefallen, was leider nicht ging. Er hat mir innerhalb von Sekunden mein Visum verlängert und ich habe keinen Reais Strafe gezahlt.

Ich bin dann fast hüpfend wieder aus dieser Police Federal raus, bin zurück zur Police Federal Argentinien getrampt, wo ja immer noch meine Mutter sass, und war einfach nur unendlich glücklich und erleichtert. 

Mittlerweile war es auch schon fünf, wir hatten noch nix gegessen und waren beide ziemlich erschlagen. Erstmal sind wir dann wieder zurück nach Foz do Iguaçu gefahren, um die Frau aus Paraguay anzurufen. Nachdem sie uns allerdings gesagt hat, dass wir noch mal mindestens drei Stunde bräuchten um dorthin zu fahren, haben wir uns gegen den Trip nach Paraguay entschieden. So haben wir dann noch was gegessen und sind dann zur „Rodoviária“ (Busbahnhof), um dann über Nacht nach Florianópolis zu fahren. 

Das ist hier in Brasilien wirklich toll, du kommst mit dem Bus überall hin. Die langen Strecken werden meistens über Nacht zurückgelegt, wobei man sich dann entscheiden kann, ob man einen normalen Bus nimmt oder in einem Liegebus fahren möchte. Das Beste dabei ist, dass das Ganze ziemlich billig ist, zum Beispiel die längste Strecke die wir zurückgelegt haben, war Foz do Iguaçu- Florianópolis, mit circa 1000 km, und wir haben jeweils knappe 40 Euro bezahlt.... 

Während wir dann in der Wartehalle sassen, habe ich festgestellt, dass einer der zwei Männer, die uns gegenüber sassen, den haargenau gleichen Rucksack hatte wie ich. Naja, auch sie hatten das festgestellt und so hat es nicht lange gedauert bis wir zusammen sassen und Stefan und Norman kennen gelernt haben. Sie kamen aus Stuttgart, Stefan war schon seit einem halben Jahr in Südamerika unterwegs und Norman, sein Cousin, kam aus Deutschland um mit ihm drei Wochen lang Brasilien unsicher zu machen. Auch sie wollten mit dem gleichen Bus wie wir nach Florianópolis fahren. Es hat sich dann auch schnell herausgestellt, dass sie so ziemlich das Gleiche wie wir machen wollten. So hat es sich ergeben, dass wir die nächsten eineinhalb Wochen zusammen gereist sind... 

Nach einer knapp 13 stündigen Busfahrt sind wir dann auch in Florianópolis angekommen. Florianópolis ist die Hauptstadt von dem Staat Santa Catarina und besteht aus einem Teil Festland und der Ilha da Santa Catarina. Ich habe euch auch hier mal eine Karte rausgesucht, dass ihr euch das ganze besser vorstellen könnt...


3


Auf jeden Fall sind wir nach circa weiteren 2 h Busfahrt glücklich, aber auch leicht erschlagen, in Pântano do Sul angekommen, was wirklich ein superschönes kleines Örtchen im Süden der Ilha da Santa Catarina ist. Das Tolle war einfach auch, dass es nur wenige Touristen gab, sondern hauptsächlich einheimische Fischer und Brasilianer, die dort ihre Ferienhäuser haben. Nach kurzem Suchen haben wir dann auch unsere Pousada gefunden, wo wir uns zu viert ein schnuckeliges Chalé (kleines Häuschen), mit zwei Schlafzimmern, einem Bad, einer Küche und einer Veranda mit zwei Hängematten, gemietet haben. Das Chalé lag in einer schönen Gartenanlage und war auch nur 50m von einem tollen Strand entfernt. Das einzige Sandkorn im Auge war der eigentlich durchgehend mürrische Besitzer, aber darüber konnten wir uns eigentlich nur lustig machen.

So verbrachten wir dort ein paar wunderschöne Tage, bei tollem Wetter, hauptsächlich am Strand. Dienstags sind wir dann noch zum Nachbarstrand „gewandert“, der auch wie aus dem Bilderbuch war.

Abends haben wir dann immer gekocht (was total toll war, weil es erstens sehr viel Spass gemacht hat zu viert zu kochen und ausserdem war es mal wieder sehr schön was deutsches von Mama zu essen) und sassen dann noch gemütlich auf unserer Veranda und haben geredet. 

Mittwochs sind wir dann zurück zur Mitte der Ilha Santa Catarina, wo wir noch zum Lagoa da Conceição wollten. Nachdem wir wieder eine kleine Busreise hinter uns hatten, haben wir uns auf die Suche nach unserem Hostel gemacht. Das haben wir dann auch, trotz das es leicht versteckt war und es von aussen keinerlei Anzeichen gab, dass dort ein Hostel ist, gefunden. Es war wirklich ein sehr schönes Hostel, noch ganz neu und sehr sehr familiär. Der einzige Nachteil war, dass es ziemlich ausserhalb der Stadt lag und wir wieder ewig gebraucht haben um zu dem See zu fahren, dort sind wir dann auch noch falsch ausgestiegen. Wir waren dann zwar am See, aber von der „romantischen Stimmung“, wie es im Reiseführer beschrieben wurde, war nichts zu spüren. Nachdem wir dann bisschen rumgeirrt sind, haben wir uns irgendwann einfach wieder in einen Bus gesetzt, der dann glücklicherweise ziemlich lang am See entlang und durch einige schöne kleine Ortschaften gefahren ist. An der Endstation sind wir dann ausgestiegen und noch an den Strand gegangen. 

Am nächsten Morgen um fünf Uhr sind wir dann auch schon wieder aufgebrochen, um die 6 Stunden Fahrt nach Paranuaguá auf uns zu nehmen. Von dort aus sollte es dann mit dem Schiff weiter zur Ilha do Mel gehen.

Die Ilha do Mel ist eine ganz besondere Insel und einfach nur gigantisch. Damit ihr eine kleine Vorstellung von ihr bekommt, hier ein kleiner Auszug zur Ilha do Mel aus meinem Reiseführer:

„Vorsicht, diese Insel zerstört Reisepläne! Aus zwei Tagen werden hier leicht zwei Wochen. Manche bleiben sogar für immer. Keine Autos, keine Motorräder, noch nicht einmal Strassen gibt es. Dafür fast überall unberührte Natur. Am besten gewinnt man von einem der zahlreichen grünen Hügel einen Überblick. Wahrscheinlich wird sich hier auch in den nächsten Jahrzehnten wenig verändern, denn der grösste Teil der Insel steht unter Naturschutz, und für den Rest gibt es strenge Auflagen.“

                                                                                                            (Stefan Loose, Brasilien)

 

Und  auch hier eine kleine Karte zur besseren Vorstellung:


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Nachdem wir in Paranaguá noch was gegessen haben und Geld geholt haben (auf der Ilha do Mel gibt es keine Bankautomaten) sind wir an Bord gegangen um nach einer zweistündigen Bootsfahrt unser Ziel, Ilha do Mel, zu erreichen. Dort angekommen, haben wir uns mal wieder auf die Suche nach unserer Pousada gemacht. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass es nur Sandwege gibt und wirklich eine Pousada neben der anderen steht. Irgendwie wurde man auch nicht das Gefühl los, dass man in einer Hippiesiedlung gelandet ist.....Also wirklich schon mal total beeindruckend.

Nach einem kurzen Fussmarsch haben wir unsere Pousada gefunden. Auch dieses Mal lagen wir wieder richtig mit unserer Wahl, die Pousada war sehr gemütlich (überall wo es ging hingen Hängematten und Hängestühle) und familiär. Susan, die Besitzerin, ist eine von denjenigen, die für immer auf der Insel geblieben sind. Sie hat sich dort die Pousada gebaut, wo sie jetzt mit ihrem Personal und Hund lebt und die Übernachtungsgäste „betreut“. Was ganz schön war, sie hat Deutsch gesprochen, da sie deutschsprachige Vorfahren hat.

Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, haben wir auch schon unsere erste Inselerkundung gestartet... und ich sage euch:  Wir waren im Paradies. Oder auf jedem Fall einem paradiesähnlichem Ort, einfach nur superschön.

Wir haben uns dann auch erstmal an den Strand gelegt und einfach nur Sonne, Strand und Meer genossen. War auch ganz lustig, überall im Sand hatte es so kleine Löcher, wo immer mal wieder Krebse rausgeschlüpft sind. Wenn man ganz ruhig dagesessen ist, hat man beobachten können, wie sie ihre Erdlöcher gegraben haben, echt interessant.

Auch die folgenden Tage waren wir viel am Strand oder sind am Strand entlang gelaufen und haben die zwei Sehenswürdigkeiten der Insel besichtigt: der Leuchtturm und das „Farol das Conchas“.

Vom Leuchtturm aus, der übrigens immer noch in Betrieb ist, hatte man einen tollen Überblick über die Insel. Das „Farol“, ein ehemaliges Gefängnis, liegt ziemlich genau in der Mitte der Insel und um dorthin zu kommen, läuft man erstmal eine dreiviertel Stunde am Strand entlang und geniest einfach die Aussicht aufs Meer....

Sonntags haben meine Mutter und ich uns noch Fahrräder ausgeliehen, um ein bisschen den Nordteil der Insel zu erkunden.

Montags hiess es dann Abschied nehmen von Stefan und Norman, sie mussten weiter Richtung Rio de Janeiro, da Norman von dort zurück in die Heimat fliegen würde.

Mama und ich wollten dann noch zu dem anderem Ort (Brasília) der Insel laufen, nur hat uns da die Flut ein Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben uns dann noch auf die Suche nach einem anderen Weg, der nicht direkt am Meer entlang führt, gemacht, haben aber keinen gefunden und so haben wir uns noch irgendwo auf eine Klippe gesetzt und gelesen.

 

Am nächsten Tag sind wir dann auch aufgebrochen, zunächst wieder zurück nach Paranaguá und von dort aus mit dem Bus weiter nach Morretes.

Morretes ist eigentlich einfach nur ein kleines verschlafenes, aber schönes Örtchen, wo wir nur eine Nacht geblieben sind, da wir am nächsten Tag die berühmte Zugfahrt von Morretes nach Curitiba machen wollten.
 

Es ist echt sehr faszinierend, wenn man an Brasilien denkt, fällt einem eigentlich sofort Sonne und totale Hitze ein, und so ist es auch, aber trotzdem ist diese Land total grün. Der beste Beweis dafür ist genau diese Zugfahrt, die hauptsächlich durch dichten Wald geht. Aber jetzt nicht das ihr denkt, das ist so ein Wald wie bei uns, nein, das Ganze hat eher einem Urwald geähnelt, ich hab nur zu meiner Mutter gemeint: “Jetzt fehlen nur noch die Schlangen, die vom Baum runter baumeln.“ Wirklich sehr beeindruckend und faszinierend. 

Curitiba war dann die letzte Station unserer Reise, und nachdem wir viel am Strand und in der Natur waren, sind wir dort in einer sehr schönen Grossstadt gelandet Das einzige nicht so schöne war, was es aber in jeder Grossstadt gibt, die Bettler und Obdachlosen, es war echt krass, wenn man abends durch die Strassen gegangen ist, lagen wirklich in jedem Hauseingang Menschen.

Wir haben uns in Curitiba hauptsächlich dem Shopping gewidmet. Eine meiner Errungenschaften ist eine weinrote, brasilianische Hängematte, die jetzt mit uns auf Weltreise gehen wird. Ich werde euch dann mal ein Foto schicken, wenn ich in Hawaii zwischen zwei Palmen in meiner Hängematte liege und einen Caipirinha schlürfe (falls es da Caipis gibt, aber naja es würde auch ein anderer Cocktail tun)... 

Und so hat sich unsere Reise leider auch schon dem Ende zugeneigt. Es war wirklich toll, die ganzen superschönen Orte gesehen zu haben und auch mit Stefan und Norman hat es sehr viel Spass gemacht und es war schön mit ihnen zu reisen. 

Leider bedeutete das Ende unserer Reise auch, dass der Abflug von meiner Mutter schon fast wieder bevorstand. Doch zuvor waren wir freitags noch im Kinderhaus, wo wir geholfen haben zu putzen und wo ich meiner Mutter einfach auch mal alles gezeigt habe und sie den anderen Frauen vorgestellt habe.

Samstags waren wir dann noch zusammen im Salon, Nägel machen. Das muss ich euch jetzt einfach mal erzählen, auch wenn es die Hälfte nicht wirklich interessieren wird. Auf jeden Fall ist das hier voll cool, für knappe 3 Euro machen sie dir die Fuss- und Fingernägel, das heisst feilen, Nagelhaut entfernen und lackieren. Für ein paar Reais mehr bekommst du die tollsten Kunstwerke auf deine Fingernägel. Als ich denen dann mal gesagt habe, was man so bei uns zahlt um Nägel machen zu lassen, sind die halber vom Stuhl gefallen und haben gemeint, sie kommen mit mir nach Deutschland und machen dort einen Salon auf.

Und so sieht das Ganze dann aus:

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So, nun aber wieder zurück zu den wichtigen Dingen :-)...

Es wurde dann doch ziemlich schnell Montag und meine Mutter hat sich leider schon wieder auf den Heimweg gemacht. Es war eine tolle Zeit mit ihr und ich hab mich riesig gefreut, dass sie hier war.

Zum Abschied von meiner Mutter kam dann auch noch am nächsten Tag der Abschied von Rodrigo und Carla, zwei meiner Deutschschüler, die auch nach Deutschland geflogen sind. Sie haben diese Reise von der Fanfare geschenkt bekommen, da sie das letzte Jahr die besten und angagiertesten Schüler waren. Das Schlimme daran war, dass sie mir wirklich sehr ans Herz gewachsen sind und ich sie leider leider nicht mehr sehen werde, da sie erst Mitte April wieder zurück kommen werden und da bin ich ja schon auf Hawaii. Mit ihnen sind auch Helton, Elsa (seine Mutter) und Dirce geflogen, die allerdings vor zwei Wochen schon wieder zurückgekommen sind.

Zu dem  kam dann auch noch, das Patrick ebenfalls dienstags nach Deutschland geflogen ist und erzählt hat wie toll und schön es sei, da er seine ganzen Freunde wieder getroffen hatte.

Da war es dann bei mir auch vorbei mit dem „kein Heimweh“ haben und ich glaube, hätte mir jemand in der Zeit angeboten für eine Woche nach Deutschland zu fliegen, hätte ich das sofort gemacht. Mittlerweile geht es aber wieder, wobei ich doch immer noch bisschen Sehnsucht nach euch allen habe. Was aber nicht heissen soll, dass es mir hier nicht mehr gefällt oder dass ich mich nicht auf unsere bevorstehende Reise freue. Es ist in der Zeit einfach alles zusammen gekommen. Zu dem Ganzen kamen auch noch so ein paar Sachen in meiner Gastfamilie, die mich ziemlich aufgeregt haben und wo ich wirklich zeitweise froh war, dass ich so gut wie nicht mehr zu Hause war. 

So, jetzt aber Schluss mit dem „Rumgejammer“. An dem Montag, an dem meine Mutter geflogen ist, hat auch wieder das Kinderhaus aufgemacht. Und da Rodrigo ja nach Deutschland geflogen ist, habe ich dann mit einem anderen seinen Flötenunterricht übernommen. Zudem kam dann mein „alter Deutschunterricht“ und Anfang Februar habe ich dann noch einen zweiten Deutschunterricht angefangen. Daher auch meine Aussage dass ich fast nicht mehr daheim war...

Ich gehe grad morgens um halb acht aus dem Haus, um 12 Uhr komme ich heim, um meinen Unterricht vorzubereiten, zu waschen oder sonstigen Kram zu machen (wobei ich mittlerweile meistens auch über Mittag im Kinderhaus bleibe und dort an den PC gehe). Um zwei gehe ich dann wieder zur Kinderbetreuung zurück. Zwischen halb fünf und fünf komme ich heim um schnell zu duschen und habe dann jeden Tag von sechs bis sieben irgendeine Form von Unterricht, auch samstags und sonntags. Also ihr seht, meine Tage sind gut gefüllt und gehen auch wie im Flug vorbei... 

Ich muss euch jetzt mal noch bisschen über das Kinderhaus erzählen, beziehungsweise über die Kinder, weil ich glaube, dass könnt ihr euch zum Teil alles nicht so ganz vorstellen... Also, angefangen haben wir Ende Januar mit sieben Kindern. Mittlerweile sind wir schon bei 17 Kindern und eigentlich überfüllt, da es nur Betten für 15 Kinder hat und wir auch nur sechs Frauen sind (wobei Dirce hauptsächlich im Büro arbeitet).

Von den 17 Kindern sind fünf Babys unter einem Jahr dabei. Das ist wirklich unglaublich anstrengend, weil eigentlich grundsätzlich eines am schreien ist, das andere Milch will und das nächste muss man in den Schlaf schaukeln... Dazu kommen dann noch die anderen Kids, die man auch nicht unbeaufsichtigt lassen kann.

So, aber eigentlich wollte ich euch ja bisschen von den Kids erzählen. Mit dem was ich jetzt erzähle, will ich keinesfalls behaupten, dass ich die Mütter hier nicht ausstehen kann, oder dass es so was in Deutschland nicht gibt...

 

Fange ich mal mit Giselle und Giovanne an. Das sind Geschwister, sie ist 11 Monate er vier Jahre alt. Die Mutter ist sage und schreibe 19 und mit dem Vater der Kinder verheiratet. Sie sind erst später dazu gekommen und auch erst auf Drängen seitens Silvana (sie ist die Koordinatin des Kinderhauses). Das Problem ist, dass sie ziemlich weit ausserhalb von Santa Fé wohnen und die Busverbindungen sehr schlecht sind. Giovanne ist eigentlich kein grosses Problem, er hat anfangs nur viel nach seiner Mutter geheult und nicht hier bleiben wollen, aber das hat sich mittlerweile gelegt. Als ich jedoch Giselle gesehen habe, war ich doch etwas erschüttert. Sie war wirklich total mager und dazu kam, dass sie wie eine Puppe war, sie hatte wirklich keinerlei Kraft oder Spannung im Körper. Jedes Mal wenn man sie auf den Boden gesetzt hat, ist sie regelrecht nach vorne zusammengeklappt. Auch bei ihren ständigen Versuche sich aufzustellen zum krabbeln, ist sie jedes Mal zusammengeklappt wie ein Kartenhaus. Ich muss echt sagen, dass hat mich dann schon bisschen schockiert. Vor allem frage ich mich da, was hat die Mutter die ersten 11 Monate mit diesem Kind gemacht. Oder besser gesagt: Was hat sie nicht mit ihr gemacht? Ich glaube echt Giselle lag halt den ganzen Tag im Bettchen.

Dazu kam noch, dass sie am Oberkopf total viele Haare hatte und darunter so gut wie keine. 

Nachdem sie sich eines Tages hier übergeben hat und auch so komischen Ausschlag an den Beinen hatte, hat Silvana sie eingepackt und ist mit ihr zum Arzt gefahren. Das Ergebnis war, dass Giselle gegen Kuhmilch allergisch ist. Daraus hat sich dann auch erklärt warum sie nicht zugenommen hatte, da eigentlich die Milch oben rein geflossen ist und unten gerade wieder raus. Der Arzt hat dann unter anderem angeordnet, dass sie nur noch Sojamilch zum trinken bekommt und dass die Haare geschnitten werden sollen. Das war dann auch die erste Tat von mir und Silvana, die Haare abschneiden. Sie ist dadurch zwar keine Schönheit geworden, aber es ist um einiges besser wie vorher.

Dann kam schon das nächste Problem, die Mutter hat kein Geld um die Sojamilch, wo der Packen einen knappen Euro kostet, zu bezahlen. So habe ich, von dem gespendeten Geld, Sojamilch für das Mädel gekauft. Wir haben der Mutter auch immer Milch mit heimgegeben, aber wenn die zum Beispiel nach dem Wochenende aus war, und sie die Kinder montags nicht hergebracht hat, hat sie ihrer Tochter grad wieder Kuhmilch gegeben.... Muss ich dazu noch was sagen?

Mittlerweile hat Silvana bei der Sozialstation durchgebracht, dass sie die Milch bezahlen, wobei das auch ein Hick Hack war, da die Mutter persönlich dorthin gehen musste und das natürlich erstmal nicht gemacht hat.

Was das krasse an dem Ganzen ist, dass Giselle mittlerweile vielleicht 4 Wochen hier ist und schon viel lebendiger und auch nicht mehr so wabbelig ist. Ihre neuste Leidenschaft ist so ein Laufstuhl, in dem sie durch die Gegend gurgt.

 

Dann haben wir den Viktor- Manuel, er ist 3 Jahre alt. Seine Mutter ist erst 16 und verdient ihr Geld, wenn ich es richtig verstanden habe, indem sie mit irgendwelchen Männern zusammen ist. Letzte Woche wurde ihm ein Onkel geboren, also seine Oma hat noch mal ein Kind bekommen. Da kann man eigentlich nur darauf warten, bis dieses Kind auch hier ins Kinderhaus kommt...

Viktor- Manuel hatte schon seit geraumer Zeit einen richtig schönen Ausschlag am Hintern, bis der Arzt dann festgestellt hat, dass er gegen Pampers allergisch ist. Ehrlich gesagt fand ich das auch nicht sehr verwunderlich, denn der Knabe sitzt seit drei Jahren nur in Pampers. Ich kann euch aber nicht verraten, warum die Mutter es nicht für nötig gehalten hat ihm beizubringen aufs Klo zu gehen. Vielleicht war es auch einfach nur Faulheit. Eigentlich war es dann kein grosses Problem, ihm das beizubringen, da er es doch ganz gut verstanden hat, dass er in Zukunft aufs Klo gehen muss.

Während dem Essen kommt es öfters vor, dass Viktor- Mauel anfängt zu würgen, dann heisst es immer nur: „Viktor, geh raus, renn.“ Dann rennt der Bub los, beugt sich übers Gras und übergibt sich, das ist schon total normal für ihn.....

 

Dann haben wir noch mal einen Viktor- Manuel, ich glaube von ihm habe ich schon mal erzählt, aber ich werd es einfach noch mal schnell schreiben.

Er hat noch zwei grössere Schwestern, die auch schon im Kinderhaus waren. Seine 23- jährige Mutter ist gerade wieder hochschwanger (sie wird wahrscheinlich noch diesen Monat ihr Kind zur Welt bringen). Sie haben so wenig Geld, dass sie sich nicht mal die Windeln leisten können. Es ist echt immer krass, wenn man ihn morgens duscht und er immer noch die gleiche Windel anhat, die wir am Vortag angelegt haben, wobei man dazu sagen muss, dass er da nicht der Einzige ist.

Auf jeden Fall wird jetzt das Kinderhaus Geld zu steuern, damit die Mutter sich sterilisieren (ich hoff das ist jetzt das richtige Wort) lassen kann, weil sonst würde sie  wahrscheinlich weiter Kinder bekommen, die dann alle hier im Kinderhaus landen würden.

 

Als nächstes haben wir Fabricio, eines unserer Babys, mit 10 Monaten. Seine Mutter hat noch drei weitere Kinder von verschiedenen Männern und ist mittlerweile auch schon Oma, ihre 16- jährige Tochter hat ein Kind und ihre 20- jährige Tochter drei. Sie selbst dürfte so Mitte vierzig sein.
Auf jeden Fall hat sie einen leichten Knall. Immer wenn sie ihren Sohnemann abholt, setzt sie sich auf den Gehweg, zieht ihre Brust raus und fängt an zu stillen. Das ist ja alles eigentlich nicht schlimm, wobei ich es nicht so ganz verstehe, warum sie sich nicht einfach reinsetzt zum stillen...
Letztens hat sie aber dann doch den Abschuss gebracht, da sass sie wie immer auf dem Gehweg und hat gestillt, nur diesmal hat sie auch ihre andere Brust raus gezogen, woraus dann wirklich die Milch grad so auf die Strasse getropft ist.

Oder dann ist vor circa drei Wochen ihr Vater, der eigentlich noch top fit war, in der Nacht gestorben. Silvana hat mir erzählt, dass sie über den Tod gesprochen hat, als wäre ihr Hund gestorben und von wegen sie würde nicht weinen usw. Im Laufe des Morgens ist dann noch ihre bettlägerige Mutter gestorben (schon ein krasser Zufall, oder?). Abends beim abholen steht die Gutschte doch tatsächlich da und meint, eigentlich wäre sie jetzt ganz glücklich und weinen würde sie nicht. Da kann man doch nur sarkastisch sagen: „Ein Glück, zwei weniger, die am Tisch sitzen und das Essen wegessen.“.... 

Bei solchen Sachen weiss man dann wie wichtig diese Arbeit für die Kinder ist. Es ist zwar irgendwie ziemlich traurig, wie wenig Dank von den Eltern kommt, weil wir echt alles für die Kinder machen, aber trotz allem ist es eine tolle Arbeit. Und wenn man dann die Kinder lachen und rumtollen sieht, oder wenn sie einfach zu dir her gerannt kommen und dich umarmen, ist das alles auch schon vergessen. 

Nur eins weiss ich nicht so genau, wie wollen es die Frauen schaffen wenn ich dann in drei Wochen weg bin? Soweit ich nämlich weiss, gibt es noch keine Nachfolgerin für mich. Mittlerweile ist es schon so, dass ich eine volle Arbeitskraft bin und wir wirklich alle Hände voll zu tun haben und abends immer alle fix und fertig sind. 

Jetzt muss ich aber noch eine Sache vom Kinderhaus erzählen und zwar habe ich vorletzte Woche in der Küche geholfen und das war wirklich total interessant. Zum einen war es spannend kennen zu lernen wie und was hier in Brasilien gekocht und gebacken wird und zum anderen ist es einfach toll was es alles für Früchte und Gemüsesorten gibt, die wir nicht mal aus dem Laden kennen.

Das Tolle am Kinderhaus ist einfach auch, dass sehr viel verschiedenes und frisches Gemüse und Früchte verwendet werden. Für die Kids wird jeden Tag eine Gemüsesuppe mit Nudeln gemacht, die eigentlich total simple ist.

Das ist wieder so ein Punkt, bei dem ich die Eltern nicht verstehen kann. Sie jammern immer, dass ihre Kinder daheim nichts essen, aber das ist irgendwo auch nicht wirklich verwunderlich, wenn sie darauf  bestehen, dass ihr Kinder das Nationalgericht Reis mit Bohnen essen sollen, anstatt einfach so eine Suppe extra zu kochen.

Auf jeden Fall war die Woche, wie schon gesagt, sehr interessant und ich werde mir mal noch ein paar brasilianische Rezepte abschreiben und vielleicht kommt ihr dann auch mal in den Genuss von brasilianischem Essen. 

So, jetzt hab ich soviel vom Kinderhaus erzählt, dass ich erstmal überlegen muss, was ich noch alles schreiben wollte....

 
Aja, genau von meinen Unterrichten wollte ich noch erzählen.

Also, erstmal habe ich weiterhin den ersten Deutschunterricht mit dem ich Mitte November angefangen habe. Da aber Rodrigo und Carla jetzt in Deutschland sind, und von den restlichen drei eigentlich nur noch Simone kommt, ist es mehr oder weniger zum Einzelunterricht geworden. Ab und zu ist das zwar ein bisschen frustrierend, immer nur für eine Person vorzubereiten, aber andererseits fände ich es auch Simone gegenüber ungerecht, weil sie wirklich Deutsch lernen will und es mittlerweile auch echt drauf hat.

Ihr grösster Wunsch wäre es übrigens mal nach Deutschland für ein Jahr oder so zu gehen und auch einfach was zu arbeiten oder in die Schule zu gehen oder irgend sowas. Aber leider fehlt ihr dazu das Geld.

Das ist dann wieder so ein Punkt, bei dem ich denke, die Welt ist doch bisschen ungerecht, ich kann mir leisten in andere Länder zu gehe und andere, wie Simone, die es wirklich verdient hätten, steht diese Möglichkeit nicht offen. Wenn ich wieder in Deutschland bin, werde ich auch mal schauen ob sich da irgendetwas machen lässt, falls sie bis dahin nicht schon durch die Fanfare nach Deutschland gegangen ist.

Naja, und falls jetzt jemand von euch spontan eine Idee hat, wie sie die Möglichkeit bekommen könnte nach Deutschland zugehen, lasst sie mich wissen! 

Anfang Februar habe ich einen zweiten Deutschunterricht, mit fünf Schülern, angefangen. Unter ihnen gibt es auch drei, die wirklich fit sind und ich komme auch gut voran. Nur ist es manchmal sehr anstrengend, weil sie eigentlich alle durchgehend schwätzen. Aber naja, mal schauen wie weit ich mit ihnen noch komme. 

Das ist sowieso so eine Frage, was wird wenn ich gehe? Das Helton den Deutschunterricht weitermacht, wage ich zu bezweifeln. Gesagt hat er es auf jeden Fall, aber richtig daran glauben tue ich nicht, weil er sowieso schon soviel um die Ohren hat. Ich bin echt mal gespannt.

Aber ich glaube mit dem Material, das ich mittlerweile zusammengebastelt habe, könnte ich in Deutschland einen Volkshochschulkurs Deutsch anfangen. Da ich keine Bücher habe, mache ich eigentlich immer Aufgabenblätter und mittlerweile ist da echt schon eine gute Sammlung zusammen gekommen. 

Dann ist da noch der Blockflötenunterricht. Mit ihm tue ich mich allerdings bisschen schwer und halte mich auch ziemlich zurück und lasse viel Régis machen. Ich finde es einfach schwer einen Unterricht von jemand anderem zu übernehmen. Man kann  ja dann auch nicht einfach kommen und erstmal die ganzen Sachen, die einem nicht passen, umstellen. Dazu kommt einfach, dass ich in den musikalischen Begriffen auf Portugiesisch noch nicht so bewandert bin und immer nur wenige Schüler kommen.

 

Zwischendurch war dann auch hier Karneval. Und nein, ich war leider, leider nicht in Rio de Janeiro. Eigentlich wollte ich hin, nur hat Cleibson (der Bruder von Helton, der in Rio de Janeiro wohnt) keine Eintrittskarten mehr für mich bekommen, da alles schon ausverkauft war. Das hat mich dann doch ziemlich geärgert, vor allem als ich die tollen Bilder im Fernseh gesehen habe.

Dafür war ich dann, mit ein paar von hier, bei so einem angelegten See und habe dort dann auch von Samstag auf Sonntag übernachtet, was dann ganz lustig war.

Hier im Ort gab es sonst allerdings überhaupt keinen Karneval.
 

Vor drei Wochen gab es dann noch ein nicht wirklich schönes Ereignis: Der Vater von Simone ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er ist irgendwie zuviel auf die andere Fahrbahn gekommen und dann frontal mit einem Lastwagen zusammengestossen. Die anderen, die mit ihm im Auto sassen, waren nur leicht verletzt, bis auf einen, der schwerere Verletzungen davon getragen hat. Beim Vater von Simone hat man auch erst gedacht, dass es nur die Beine erwischt hat, doch auf dem Weg ins Krankenhaus ist er dann an seinen inneren Verletzungen gestorben.

Es war zwar schon ganz interessant wie das in Brasilien gehandhabt wird, aber naja, so muss es natürlich auch nicht sein.

Der Unfall war abends um sieben, um elf war er dann schon hingerichtet für die Leichenschau. Das sah so aus, dass der Sarg offen in einen Raum gestellt wurde und dann sämtliche Leute gekommen sind um sich von dem Toten zu verabschieden. Hier ist es Brauch, dass die Leichenwache 24h Stunden geht, das heisst vor allem für die engere Familie 24 Stunden wach bleiben und immer wieder beten und singen.

Für mich war es schon sehr krass, da es erstens der erste tote Mensch war, den ich gesehen habe und zweitens, weil es sehr öffentlich war. Die Türen standen offen, es waren ein Haufen Leute da (in Brasilien ist es üblich, dass jeder, der den Toten auch nur annähernd gekannt hat, zur Leichenschau kommt), zwischendrin sind die Kinder rum gesprungen und die meisten sind mit Sommerkleidung und Flip- Flops rumgeschlappt. Was mich dann doch bisschen erschreckt hat, war, dass die Leute zum Teil hin sind und wirklich an dem Toten rumgetatscht haben und geschaut haben, was er für Verletzungen hat...

Mittags um vier war dann auch schon die Beerdigung, also wirklich innerhalb von einem Tag wird der Tote dann beerdigt....

 

Vorletzten Montag bin ich mit einer Freundin in die Schule gegangen.

Ich glaube, ich muss euch kurz zu dem Schulsystem hier was erzählen: Und zwar gibt es hier keine Unterteilung Gymnasium, Haupt- und Realschule, sondern alle gehen in die gleiche Schule. Dann ist es auch so, dass die Lehrer nicht sehr viel verdienen und deswegen zum Teil auch nicht wirklich motiviert sind.

Morgens von 8 – 12 Uhr gehen die Kids in die Schule. Die Älteren können sich dann entscheiden, ob sie von 13- 19 Uhr oder von 19- 22.30 Uhr in die Schule gehen. Abends gehen hauptsächlich die, die untertags arbeiten müssen, Mütter, aber auch viele die die Schule mal abgebrochen haben und jetzt weitermachen wollen. Es gibt hier wirklich auch viele Erwachsene, die keinen Schulabschluss haben, zum Beispiel auch zwei Frauen aus dem Kinderhaus, wovon die eine jetzt auch wieder zur Schule geht.

Also wie ihr seht, das hört sich alles schon sehr viel versprechend an. Aber wie es dann wirklich war, war dann für mich im Vornherein doch sehr unvorstellbar und ich hatte eigentlich die ganze Zeit nur meine ehemalige Deutschlehrerin aus der 7. Klasse vor den Augen, wie sie mit erhobenem Zeigefinger vor uns stand und gemeint habt: „Seid froh, dass ihr die Möglichkeit habt in die Schule zu gehen und eine richtige Bildung zu bekommen“. Sie hatte eindeutig Recht und ich habe hier echt meinen Schulabschluss total schätzen gelernt.

 

Auf jeden Fall bin ich mit Beatrix in den Abenduntericht, also von 19- 22.30 Uhr, gegangen. Im Klassenzimmer sassen circa 7 Schüler, so zwischen 15 und 25 Jahren. Die Anwesenheit hat sich allerdings ständig geändert, weil mal einer noch gekommen ist, oder ein anderer gegangen, ich weiss auch nicht wie viele ganz gefehlt haben.

In den ersten zwei Stunden stand Mathe auf dem Stundeplan. Ich muss dazusagen, dass ich nicht so genau weiss wie lange die Schüler schon in die Schule gegangen sind, aber trotz allem hat mich das doch sehr geschockt was die gemacht haben.

Ich schreibe euch hier mal so ein paar Aufgaben auf, die bitte schriftlich zu lösen sind:

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Das Krasse war echt, dass sie schon an diesen Aufgaben gescheitert sind und alle doch sehr erstaunt waren, dass ich sie so schnell gelöst habe. Die Lehrerin hat mich dann auch immer gefragt, ob sie die richtige Lösung an die Tafel geschrieben hat. Irgendwann habe ich dann auch ein bisschen angefangen zu erklären....

Meistens hat die Lehrerin die Ergebnisse einfach an die Tafel geschrieben und nicht mal die Schüler denken lassen. Sie hat dann zwar erklärt, aber da hat dann die Hälfte der Schüler nicht zu gehört. Allgemein war eigentlich eine ständige Unruhe, da durchgehend geredet wurde und einer dabei war, der, für meine Begriffe, total hyperaktiv war und wirklich keine fünf Minuten still sitzen konnte.

Es war wirklich erschreckend. Mich wundert jetzt auch nicht mehr, dass die
Verkäufer in den Läden jeden Firlefanz mit dem Taschenrechner zusammen rechnen, ungelogen, da wird 2,50 + 2,50 in den Rechner eingetippt.....
 

Als nächstes stand dann Portugiesisch auf dem Stundenplan. Ich muss sagen, die Lehrerin hat ihre Schüler wenigstens im Griff gehabt, es wurde nicht geredet.

Ihre Aufgabenstellung an die Schüler war es, sage und schreibe, eine DinA4 Seite über Afrika zu schreiben. Sie hat dann die ganze Stunde über erklärt, wie sie sich das vorstellt: Die Schüler sollten in die Bibliothek gehen, sich Bücher über Afrika nehmen, sich die Texte durchlesen und dann aus dem Gedächtnis die Sachen raus schreiben. Das Gleiche galt auch für das Internet. Wichtig war es, dass nicht einfach abgeschrieben wurde.

Dann hat sie ganz stolz einen circa 3 cm dicken Stapel  Papier aus der Tasche gezogen und gemeint: „Seht ihr hier, dass ist alles was ich über Afrika gefunden habe, so kann ich nachkontrollieren ob ihr abgeschrieben habt.“ Sie hat dann allen Ernstes sämtliche Informationen zu Afrika kopiert, bzw. ausgedruckt....

 
Dann war erstmal Pause und es gab kostenloses warmes Abendessen.
 

Nach der Pause ging es weiter mit Chemie. Naja, in der Stunde wurde mehr diskutiert, wer als nächstes bei Big Brother rausfliegt, woran sich auch die Lehrerin rege beteiligt hat. Mich hat danach auch nicht mehr gewundert, warum meine Deutschschüler immer so ewig brauchen, bis sie was von der Tafel abgeschrieben haben und warum immer soviel geredet wird, einfach weil sie es nicht anders gewöhnt sind, weil es in der Schule genauso abgeht. Ich würde sogar fast behaupten, bei mir im Deutschunterricht geht es zum Teil zivilisierter zu, wie in der Schule.

Sie haben es dann immerhin geschafft in der einen Stunde eine halbe Tafel abzuschreiben. 

Der krönende Abschluss war dann Englisch. Der Englischlehrer war so ein junger, total nervöser Typ, ich glaube es hat ihn dann noch mehr verwirrt, dass ich im Unterricht sass, aber gut.

Auf jeden Fall war der Titel dieser Stunde: „Der Einfluss englischer Wörter in der portugiesischen Sprache.“ Dazu hat der Gutschte einen Text aus dem Buch vorgelesen und immer wenn ein englisches Wort darin vorkam, dieses an die Tafel geschrieben und dann ins Portugiesische übersetzt, also keinerlei Eigeninitiative der Schüler. Dazu muss man auch sagen, dass das so wichtige Wörter wie „MTV“, „software“, „brunch“, „meeting“ usw. waren, die ich ehrlich gesagt auch noch nie hier von irgendjemanden gehört habe. Auch die Übersetzungen waren zum Teil ganz interessant, zum Bespiel „software“ – „Computerprogramm“. Daraufhin hat eine übrigens ganz stolz gemeint: „Jetzt weiss ich endlich was eine Software ist.“...

Die Hausaufgabe war dann der total Bringer, und zwar einen englischen Text abschreiben. Ich würde mal schätzen mit Hand abgeschrieben, gibt das schon eine gut DinA4- Seite. Und vor allem dieser Text war zwar nicht schwer, also ich hab ihn gut verstanden, aber mit Sicherheit haben die Schüler kein einziges Wort verstanden. Also dazu sage ich nur: sinnvoll, sinnvoll.

Überhaupt habe ich die Schüler in dieser Stunde kein einziges Wort Englisch sprechen hören.

 

Wie gesagt es war wirklich sehr krass, und ich frage mich wo die ganzen intelligenten Leute hier in Brasilien sind, die haben doch echt keine Chance. Wahrscheinlich sind das nur diejenigen, die sich eine Privatschule leisten können...

 

 

So, nun habe ich es geschafft, ich bin am Ende meines Berichtes.....

Das wird wahrscheinlich mein letzter Bericht hier aus Brasilien gewesen sein. Den Bericht über die letzten Wochen, den Abschied und ein kleines Fazit meines Brasilienaufenthalts werde ich dann schon von Hawaii aus schreiben, da ich hier nicht mehr dazukommen werde....
 

Zum Schluss habe ich mal wieder was zum Schmunzel: Das Bestattungsunternehmen hier in Santa Fé heisst „Nova Vida“, was soviel bedeutet wie „Neues Leben“. Es gibt doch keinen passenderen Namen für ein Bestattungsunternehmen, oder????????

 

Also lasst euch alle fest drücken und machts gut, 

sonnige Grüsse aus Brasilien,

 

Mareike


 
     
 

15.11.2006 (Mittwoch)

 
 

Ja, ich weiss ihr habt mal wieder ewig nichts von mir gehoert, das tut mir auch echt Leid. Ich weiss auch, dass einige von euch schon angefangen haben sich ein bischen Sorgen zu machen, aber das braucht ihr nicht, mir geht es immer noch gut! Ich war nur in den letzten 3 Wochen sehr beschaeftigt oder hatte keinen Zugang zum Internet….

Ich hoff mal, dass ich noch alles zusammenkrieg was ich seit dem letzten Bericht getrieben habe. Aber vorweg wollte ich noch was sagen, und zwar habe ich, bevor ich geflogen bin, ein Buch von meiner Mama bekommen, dieses Buch heisst “Kulturschock Brasilien” und wurde von einem gewissen Carl D. Goerdeler geschrieben. Auf jeden Fall werde ich in diesem Bericht immer mal wieder ein bisschen daraus zitieren, weil ich glaube, dass es auch fuer euch ganz interessant ist, mal ein bisschen mehr ueber Brasilien zu erfahren….

Ich weiss nicht ob ich euch im letzten Bericht erzaehlt habe, dass die Fanfare hier eine Querfloete geschenkt bekommen hat, sie ist zwar nicht die Beste aber immerhin. Ich habe mich eigentlich voll gefreut, weil so bischen Sehnsucht nach meiner Querfloete habe ich doch. Der eine aus der Fanfare, Fabio, wollten dann auch unbedingt, dass ich ihm Unterricht gebe und am liebsten auf der Stelle. Ich habe ihm dann versucht zu erklaeren, dass ich mich erstmal darauf vorbereiten muss. Wir haben dann ausgemacht, dass wir zwei Tage spaeter (Donnerstag 26.10.) anfangen. Ich hatte natuerlich keinerlei Hefte, Noten oder Sonstiges zum Querfloete unterrichten mitgenommen. Also habe ich meinen Papa angerufen, der dann mein altes Heft rausgegruschtelt hat und mir dann die 60 Seiten, oder was es waren, eingescannt und mir per mail geschickt hat. Ich sass dann auch nochmal ein Tag dran um das Ganze zu bearbeiten und auszudrucken. Das Ende vom Lied war dann, dass ich Donnerstags vor dem Saal stand und weit und breit kein Fabio zu sehen war. Nach 20 min hab ich dann beschlossen mich wieder auf den Heimweg zu machen. Leider habe ich ihn seitdem nicht mehr gesehen, weil das hat mich dann doch geaergert, soviel Arbeit fuer nichts. Mittlerweile hat sich des wahrscheinlich mit ihm erledigt, weil Helton ihn, aus privaten Gruenden (was ich nicht wirklich nachvollziehe kann), aus der Fanfare geworfen hat. Aber vielleicht werde ich jetzt der Simone Unterricht geben, dann war der Aufstand nicht ganz umsonst.

Am Samstag darauf hat mich eine aus der Fanfare, Carla, zu sich nach Hasue eingeladen. Ich muesse unbedingt ihre Familie und ihre kleine Farm kenenlernen und wir wuerden dann draussen uebernachten und und und…. Ich bin davon ausgegangen, dass wir nur zu zweit sind, worin ich mich aber gewaltigt geirrt habe. Puektlich um halb eins ist Carla mit ihrem uralt Auto (also wirklich uralt, ich glaub der koennte bei jedem Oldtimertreffen mitfahren) vorgefahren. Im Auto sassen schon drei andere Maedels und der Kofferraum war bis oben hin mit Essen, Taschen und Decken vollgepackt. Wir haben dann noch eine andere abgeholt und ich hab mich schon gewundert wie in das volle Auto noch eine weitere Person samt Gepaeck soll. Aber die Loesung kam schon angefahren, ein zweites Auto, genauso beladen wie unseres. Insgesamt waren wir dann acht Maedels und ich glaub soviel gelacht und soviel Scheiss gemacht, habe ich schon lange nicht mehr.
Nachdem wir angekommen sind, die Farm liegt ein bischen ausserhalb von Santa Fé, durfte ich mir erstmal saemtliche Tiere anschauen. Danach war dann Fluss angesagt. Ich hatte natuerlich keine Badesachen dabei und hab dann einfach eine kurze Hose und ein Top angezogen. Der Fluss hat sich dann auch eher als ein etwas dreckiger Bach rausgestellt und es hat natuerlich nicht lang gedauert bis wir alle batschnass waren. Wir sind dann den Bach hochgelaufen und haben uns nachher wieder runtertreiben lassen. Als wir wieder daheim waren, haben wir dann versucht den groessten Dreck mit dem Gartenschlauch  wieder runterzubekommen. Dazu muesst ihr wissen, dass es hier eigentlich nur so schoen rote Erde gibt, die man nur schwer wieder abwaschen kann. Der Bruder von Carla hat dann noch gemeint er muesste uns mit so einem komischen blauen Zeug bespritzten…. Naja, irgendwann waren wir dann alle wieder einigermassen sauber. Ich habe mir dann frische und saubere Kleider angezogen, weil ich erstens angefangen hab zu frieren, da ich total nass war und zweitens habe ich gedacht, dass wir uns dann irgendwohin setzen,  miteinander reden und was essen, aber auch das hat sich als Irrtum rausgestellt. Erstmal musste ich unbedingt auf das Pferd von Carla sitzen, aber als mich das fast runtergeschmissen hat, hat sie dann auch eingesehen, dass wir das lieber lassen. Wir sind dann ueber irgendwelche Felder zu Mangobaeumen gelaufen und haben Mangos gegessen, was eine riesen Sauerei war, da Mangos so richtig schoen kleben und tropfen. Es hat dann auch nicht lang gedauert, bis irgendeine angefangen hat mit Erde zu schmeissen. Das ganze ist dann in einer grossen Erdschlacht geendet, bei der alle gelacht haben wenn irgendeine vor Schmerz aufegschrieen hat, weil die Erdgebrocken so richtig schoen weh getan haben. Aber es war echt lustig und ich kann euch auch nicht sagen, wann ich dass letzte Mal so dreckig war…. Abends haben wir dann gegrillt und noch Karten gespielt. Wir haben dann draussen auf der Veranda uebernachtet, was total schoen war. Am Sonntag sassen wir dann noch bischen rum und sind dann noch auf eine Orangenplantage gefahren und haben Orangen gepflueckt. Das ist hier echt genial, man kann saemtliche Fruechte, die wir nur aus dem Supermarkt oder gar nicht kenen, einfach von den Baeumen pfluecken.
Ich bin dann so um eins mit Carla und ihren Eltern, die anderen sind noch dort geblieben, wieder zurueck nach Santa Fé gefahren. An dem Tag waren hier auch Praesidentschaftswahlen, zum zweiten Mal, da hier der Gewinner mehr wie 50% der Stimmen braucht, hat diese niemand bekommen, wird nochmals gewaehlt. In Brasilien ist es auch so, dass man schon mit 16 waehlen kann und ab 18 muss man waehlen, bis man 60 ist. Es hat dann der amtierende Praesident Luiz Inácio Lula da Silva, kurz genannt Lula, mit, ich glaube, 62% Prozent der Stimmen gewonnen.

Zu diesem Lula will ich euch kurz was erzaehlen bzw. aus dem „Klulturschock Brasilien“ zitieren, weil ich das eigentlich sehr interessant finde und weil man eigentlich auch nicht so damit rechnen konnte, dass er nochmals die Wahlen gewinnt:

Lula  heimste im Oktober 2002 einen derartig triumphalen Sieg ein, wie ihn kein vorrangegangener Praesident errungen hatte. Aber bis dahin musste er einen langen Weg zuruecklegen und viele Tiefschlaege einstecken. Dreimal lag er im Wahlkampf vorn. Beim ersten Mal stellten sie ihm ein Bein, beim zweiten Mal lief er auf der falschen Bahn, bemi dritten Mal ging ihm die Puste aus. Die Wahlen gewann er dann erst beim vierten Mal, da hatte er schon garue Haare bekommen.[...]
„Das ein Mann aus dem Volk, dass ein Schlosser ohne Abitur – dass also ich zu Ihnen als Praesident spreche – dass kann ich kaum glauben. Das erfuellt mich mit Stolz und mit Hoffnung. Von nun an soll jeder Brasilianer morgends seinen Kaffe trinken, mittags ein Mahl einnehmen und abends ohne Hunger einschlafen....“. Lula konnte die Traenen kaum ersticken. Die Nation heulte vor Ruehrung mit.
Das war schon eine Revolution, dass in diesem im Grunde tief konservativen Land ein Metallarbeiter und Ex- Gewerkschaftsfuehrer [...] an die Spitze gelangen konnte.Auch die internationale Finanzwelt wollte ihn zunaechst nicht[...], doch das aenderte sich nach drei Monaten schlagartig, was daran lag, dass sich Lula immer strikt an sein Konzept gehalten hat.[...] Oekonomisch gesehen stand Brasilien unter Lula so stark wie lange nicht da. Aber die Hoffnungen der Massen, dass nun mit den Sozialisten, wie versprochen, die ueberfaelligen Reformen vorankaemen und mit dem „Null - Hunger“- Programm die Armut beseitigt werden wuerde, wurden schon sehr bald enttaeuscht. Lulas Regierung hatte Erfolg dort, wo man es nicht erwartete, und wo man kraftvolle Aktionen erhoffte, da enttaeuschte sie.
Aber die allergroesste Enttauschung wartete dann im Juni\ Juli\ August 2005 auf die Brasilianer, als naemlich herauskam, dass die Topfunktionaere von Lulas Arbeiterpartei PT mit schwarzen Kassen gearbeitet hatten und mehrere Dutzend Abgeordnete mit Schmiergeldern bestochen hatten. Das ganze System, dem Praesidenten im Kongress eine relative stabilie Mehrheit zu sichern, beruhte auf Geldgeschenken. Und das Geld holten sich die PT- Parteibosse mit ueberhoehten oder fingierten Regierungsauftraegen ueber Werbefirmen, PR- Argenturen und halbseidene Mittelsmaenner wieder herein. Ausgerechnet die PT, die sich jahrzehntelang als Gralshueter der politischen Moral aufgefuehrt hatte, war dabei erwischt worden, wie sie im bislamg groessten Umfang Volksvertreter bestochen und eingekauft hatte! Und Praesident Lula  sollte von all dem nichts gewusst haben?
Weder nach dem Selbstmord von Getulio Vargas 1954 noch nach dem Militaerputsch 1964 oder der Absetzung von Praesident Collor 1992 war Brasilien in eine solch tiefe Sinnkrise geraten. Die demokratische Institutionen des Landes erwiesen sich als morsch und muerbe, und fuer die meisten Brasilianer bestaetigte sich nun das, was viele schon immer gesagt hatten: Die Politik ist ein schmutziges Geschaeft, und wer regiert, der schmiert.“

Trotzdem hat Lula, wie schon gesagt, die Wahlen wieder gewonnen. Helton meinte, dass des daran liegt, dass viele Arme im Land, und das sin einige. immer noch an die Versprechungen von Lula glauben.

An diesem Sonntag hat mich dann Helton gefragt, ob ich von Dienstag bis Sonntag mit ihm, seiner Freundin, seiner Schwester und deren drei Kindern nach Rio de Janeiro will. Das Ganze sollte folgndermassen aussehen:
Entweder wuerde ich am 1. November mit seiner Mutter nach Rio fliegen, oder ich wuerde mit ihm im Auto mit fahren. Ich habe mich eigentlich ziemlich schnell gegen das Fliegen entschieden, da die Innlandsfluege doch recht teuer sind. Das mit dem Auto hatte nur den Haken, dass wir zu siebt waren und das hiess dann, dass ich und Heltons Freundin die ganze Zeit jeweils ein Kind auf dem Schoss haben sollten, und dass war bei den Aussentemperaturen wahrleich keine schoene Aussicht. Helton hatte auf jeden Fall vor, dass wir Dienstagmittag nach São Paulo zu seinem Bruder Everthon fahren (8h), mittwochs dann weiter nach Rio (5h) und sonntags die 13h an einem Stueck wieder zurueck nach santa Fé. Falls ihr euch jetzt wundert, dass Helton einfach so mal schnell fuer ein paar Tage insgesamtt 2500km faehrt, kann ich euch sagen, dass ist hier in Brasilien normal und kein Problem. Dazu auch ein Zitat aus dem „Kulturschock“:

„Brasilien ist eine mobile Gesellschaft, sowohl was den sozialen Auf- und Abstieg als auch die Fortbewegung von einem Ort zum naechsten betrifft. Reisen ueber tausend Kilometer mit dem Bus oder dem eigenen Auto sind nichts besonderes in Brasilien. Viele Bewohner der grossen Staedte haben draussen auf dem Land ihren „sítio“ (Landhaus), vielleicht auch eine Farm oder eben nur ein Ferienhaeuschen im Gruenen oder im abgeschlossenen „condomínio“ (Mieteigentum). Solche Wochenend – Immobilien liegen manchmal Hunderte von Kilometern vom heimischen Herd entfernt. Mal schnell ueber 200 oder 300 Kilometer hinausfahren oder Verwandte besuchen -  das ist kein Akt. “

Auf jeden Fall stand ich dann vor der Entscheidung, eine stressige Fahrt in Kauf zunehmen und dafuer meinen Geburtstag am Strand von Rio de Janeiro zu verbringen oder halt in Santa Fé zu bleiben. Ich entschied mich dann fuer Rio, was sich dann aber leider als eine Fehlentscheidung herausgestellt hat.....

Wir sind dann am Dienstag losgeduest und ich muss echt sagen, die Fahrt, die war schon sehr interessant.... Ich habe nach 2h Helton mal gefragt ob wir nicht auf eine Autobahn fahren, da hat er gemeint, wir sind schon laengst auf einer. Naja, fuer mich sah des eher nach einer ganz simplem Landstrasse aus. Es wurde dann aber doch noch irgendwann zu einer „normalen“ zweispurigen Autobahn, wobei normal auch bischen uebertrieben ist, da am Rand immer mal wieder Leute mit und ohne Kinder rumspaziert sind und auch die Fahrradfahrer haben sich nicht gescheut die Autobahn zu benutzen. Oder dann sind wir an Maennern vorbei gefahren, die die Hecken im Mittelstrefen gemaeht haben und da ist dann nicht ein Auto mit einem Warnschild nebenher gefahren, sondern ein weiterer Arbeiter ist mit dem Schild auf dem Buckel mitgelaufen. Ich wuerd doch sagen, so schafft man Arbeitsplaetze, oder? Als naechstes sind wir an Brueckenarbeiten vorbeigefahren, und da habe ich echt gedacht ich trau meinen Augen nicht recht, da haben die Arbeiter ohne irgendeine Sicherung die Bordsteine der Bruecke befestigt... Oder auf der Gegenspur gab es einen Unfall. Was macht Helton? Er tritt auf der linken Spur volle Kanne auf die Bremse um zu schauen was da passiert ist. Am Unfallort war natuerlich auch gleich eine Fernsehkamerera, die das ganze Spektakel aufgenommen hat. Doch das Beste war echt, als wir so Serbentinen runtergefahren sind und es sich total gestaut hat. Der Grund des Staus war dann ein umgekippter Lastwagen. Was mich sehr verwundert hat, war, dass um den Lastwage ein Haufen Leute sassen und auch als wir weiter gefahren sind, sind uns immer noch Leute entgegengekommen, die Richtunmg Lastwagen gelaufen sind. Ich hab dann zu Helton gemeint „Die sassen jetzt aber nicht alle im Lastwagen, oder?“ Seine Antwort war: „Nene, die warten nur bis die Polizei weg ist, damit sie dann den Lastwagen ausraeumen koennen.“

Es war auch sehr krass, wir sind eigentlich hauptsaechlich durch Landschaft gefahren, es gab nicht viel Doerfer oder Stadte. Und dann sind wir nach Sao Paulo reingefahren und steckten erstmal auf einer endlosen zweispurigen Strasse im Berfufsverkehr fest um uns herum Autos, nochmal Autos und Haeuser. Alle zehn Meter stand irgendein Haendler, der versucht hat sein Zeugs zu verkaufen. Es ist auch sehr faszinierend du faehrst nach São Paulo rein, bei Rio war es genauso, und hast nicht die ganze Stadt vor dir, sondern du umfaehrst Berg um Berg und du siehst nach und nach immer mehr Haeuser.

Zu São Paulo, bzw. allgemein zu Brasilien muss ich euch auch noch was aus meinem schlauen Buch erzaehlen:

„Brasilianer haben viel Platz – genau 8,56 Millionen Quadratkilometer. Das ist mehr als die USA ohne Alaska und natuerlich viel, viel mehr als Argentinien hat! Und auf dieser immensen Flaeche, in die Europa leicht hineinpassen wuerde und in der Deutschland
 24- mal Platz haette, leben nur 175 Millionen Menschen. [Wenn ihr euch mal ueberlegt, dass sind eigentlich nur doppelt soviel Menschen wie in Deutschland wohnen.] Statistisch heisst das, dass Brasilien zu den duenn besiedelsten Laendern gehoert. Aber eben nur statistisch gesehen, denn zwei Drittel aller Brasilianer wohnen an der Kueste oder in Kuestenbnaehe.[...] Brasilien erstreckt sich in Luftlinie ueber rund 4000 Kilometer von Nord nach Sued und ueber ebenfalls 4000 Kilometer von Ost nach West. Entsprechend ist das Land in vier Zeitzonen eingeteilt. Wo die genau verlaufen, weiss kein Brasilianer.[...]
Brasilianer wissen, dass sie Buerger eines grossen Landes sind, dass suedlich des Aequators kein Land groesser ist als Brasilien, die Nummer fuenf weltweit. Und weil das Land so gross ist, liegt die Aussenwelt weit entfernt. Von allem, was sich ausserhalb Brasiliens befindet, macht man sich kaum einen Begriff. Es ist kein Witz, wenn der Fremde tief in der Provinz schon mal staunend gefragt wird, wie lange er denn aus Europa mit dem Bus gebraucht hat, um in dieses Zentrum der Welt zu gelangen. Dass man auch etwas anderes als Portugiesisch spricht auf diesem Globus, will vielen Brasilianern nicht so recht einleuchten.[...]
Aber zurueck zu São Paulo, hier wochnen 37 Millionen Menschen, von den insgesam 170 Millionen Einwohnern Brasiliens. Das sind soviele wie in ganz Argentinien leben. In einem Teil Brasiliens mag noch tiefes Mittelalter herrschen, in São Paulo nicht, hier hat laengst die Moderne Einzug gehalten.[...]Das Hinterland von São Paulo ist reich, es beliefert die Nation mit Nahrungsmitteln und Maschinen, es verfuegt ueber die besten Schulen und Universitaeten und ueber den modernsten Industriepark Lateinamerikas. Das Bundesland São Paulo ist nicht groesser als Westdeutschland; mit nur einem Fuenftel aller Einwohner und nicht einmal drei Prozent der Flaeche Brasiliens erwirtschaftet São Paulo  fast die Haelfte aller Gueter und Dienstleistungen der Nation. „São Paulo ist die Lokokomotive, die die Waggons der anderen Bundesstaaten schleppt“, behaupten seine Bewohner stolz. Der Bundesstaat São Paulo waere fuer sich allein oekonomisch groesser als jedes andere suedamerikanische Land.“

Wir sind dann doch irgendwann von dieser riesen Strasse runtergekommen und haben so gegen neun Uhr abends das Haus von Everthon erreicht. Das Tolle an dem Abend war dann, dass das Auto von Helton Oel verloren hat, und das nicht gerade wenig.
Und zwar gibt es in den brasilianischen Ortschaften und Staedten, alle 100 m oder so, solche „Hubbel“ damit man langsam faehrt. In São Paulo waren die aber nicht ausgeschilderet und so ist Helton einige Mal so richtig schoen drueber gerauscht. Da stehen dir echt die Nackenhaare zu Bergen wenn du hoertst, wie das Unterteil vom Auto am Teer entlangschrappt.
Das Fazit war dann, wie schon gesagt, dass das Oelrohr ein Loch hatte.
Zunaechst haben Helton und sein Bruder versucht das selber zu reparieren, aber das hat nicht so ganz geklappt und um halb zwoelf  nachts (ich glaub sowas gibts auch nur in Brailien) wurde dann das Auto abgeschleppt. Ich sass waehrrenddessen auf der Dachtterasse und hab die Stadt bei Nacht betrachtet. Ehrlichgesagt war ich auch etwas schlecht gelaunt, da das Auto erst um 12 Uhr am naechsten Tag fertig sein sollte und ich somit doch kein Geburtstag am Strand verbringen werden wuerde....

Der nasechste Tag hat dann mal ganz toll angefangen, es hat geregnet. Da ich nachts noch eine Auseinandersetzung mit Patrick hatte und auch irgendwie am naechsten Tag niemand zu wissen schien, dass ich Geburtstag habe, hatte meine Stimmung letzendlich den Nullpunkt erreicht. Das i- Tuepfelchen war dann noch, dass das Auto erst um 16 Uhr repariert sein sollte, was hiess wir fuhren an diesem Tag nicht mehr weiter. So gammelten wir eigentlich den ganzen Morgen rum, da niemand so recht wusste was wir tun sollten. Nach und nach kamen dann auch eher halbherzige Gratulationen, die die Situation aber nicht viel besser gemacht haben. Mittags sind dann Everthon, Helton, Jackeline (Freundin von Helton) und ich in die Innenstadt gefahren um zu schauen ob das Auto fertig war. Dreimal duerft ihr raten ob es fertig war oder nicht.... Und? Genau es war nicht fertig. Wir sollten so gegen 23.30 Uhr wiederkommen. Wir sassen dann noch ein bischen in einer lanchonete und abends sind wir dann noch in eine Art Bar gegangen und haben dann, oh Wunder, um Mitternacht das Auto repariert abgeholt.
Also ihr seht es war nichts mit rauschender brasilianischer Geburtstagsparty. Ich hatte leider auch keine Moeglichkeit irgendwo ins Internet zu kommen um meine mails abzurufen....
Das war dann auch das erstemal, wo ich es bereut hab mitgefahren zu sein, weil ich glaube hier in Santa Fé haette ich weitaus mehr Spass gehabt.
Wir sind dann morgends um 4 Uhr weiter nach Rio de Janeiro gefahren, wo wir dann  auch gegen 12 Uhr oder so angekommen sind.
Es ist schon sehr krass, du erwartest eine bombastische Stadt und faehrst dann nach Rio rein und siehst nur Dreck, heruntergekommene Haeuser, favelas (Slums) und dreckige Fluesse. Wenn man dann aber an die Kueste kommt, sieht das Ganze dann schon anders aus, dort stehen regelrechte Hochhaus- Parks, immer ein paar Hochhaeuser, die vollkommen identisch sind. Die heissen dann auch wirklich Parks, vor dem einen stand zum Beispiel ein Schild mit „America’s Park“.
Cleibson (der Bruder vom Helton, bei dem wir in Rio schliefen) wohnte in einer etwas feineren Gegend in einem Apartement, mit Dachterasse, Minipool und so ca. 300m vom Meer entfernt, also eigentlich nicht schlecht. Das Problem war dann nur, dass das Wetter nicht so toll war und so haben wir halt Fernseh und Filme geschaut und waren nur ganz kurz am Meer.
Das schlechte Wetter hielt leider auch die folgenden Tage an. Ich glaube soviele Filme in so kurzer Zeit hab ich noch nie gesehen. Da hab ich mich dann doch gefragt fuer was ich nach Rio gefahren bin?
Dazu kam noch, dass sich Helton und seine Freundin eigentlich durchgehend gestritten haben, was dann auch nicht gerade zu einer guten Stimmung beigetragen hat. Und wenn sich Helton nicht mit Jackeline gestritten hat, telephonierte er.... So sassen wir eigentlich die meiste Zeit in der Wohnung und ich wusst irgendwann nicht mehr was ich tun sollte. Ich konnte auch nicht sagen: „Ich geh jetzt schnell in die Innenstadt oder an die Cobacabana.“, da man dazu erstmal eine halbe Stunde mit dem Auto fahren musste.
Aber ich will ja nicht alles schlecht reden, wir hatten dann doch noch Sonne (hab natuerlich gleich wieder einen Sonnenbrand bekommen, trotz eincremen) und das Meer war echt total schoen.
 Am Freitag sind wir dann auch noch zu Cleibson in die Arbeit gefahren. Was schon mal zum einen interessant war, da dort mein Onkel noch bis vor einem Jahr gearbeitet hat und mich dann auch erstmal seine deutsche Sekretaerin begruesst hat. Zum anderen konnte ich da endlich ins Internet (Cleibson hat zu Hause keinen Pc). Meine Stimmung hat sich auch gleich mal um einiges gebessert als ich die ganzen lieben Geburtstagsmails und –gruesse gelesen habe. Vielen, vielen Dank an euch alle!!!! Samstagabend haben wir dann auf der Tachterasse gegrillt und somit noch ein bisschen meinen Geburtstag nachgefeiert (sie wollten eigentlich mittwochs fuer mich grillen, aber da waren wir ja noch in São Paulo). Bei der Gelegenheit haben wir dann auch gleich den Geburtstag von Rubin vorgefeiert (er hatte dann montags drauf Geburtstag). Ich hab dann auch noch die neue CD von „Bruno e marrone“ von Helton geschenkt bekommen, was mich sehr gefreut hat.  
Wir (Eleine, Helton und ich) sind dann auch noch am Sonntag geschwindig an die Cobacabana gefahren, was schon ganz schoen war, aber es herrschte mal wieder schlechte Stimmung und es war wirklich nur sehr kurz.
Montags sind wir dann wieder heimgefahren, was wieder hiess 13h im warmen Auto mit zappelnden Kindern auf dem Schoss - also ein wahres Vergnuegen.

Ich weiss nicht ob ich es schon erzaehlt habe, dass Ende Januar zwei Jugedliche aus der Fanfare, Carla und Rodrigo (er macht grad den Blockfloetenunterricht den ich dann uebernehmen werde), nach Deutschland fliegen werden. Sie wurden ausgewaehlt, da sie sehr begabt sind und bekommen auch den ganzen Aufenthalt bezahlt. Die einzige Bedingung ist, dass sie Deutsch lernen muessen. Ich hab dann Helton vorgeschlagen, dass ich das doch machen koennte. So stand dann am Dienstag mein erster Deutschunterricht mit fuenf Schuelern (Simone, Thiago und Amanda (sie arbeitet mit mir im Kinderhaus) wollten auch Deutsch lernen) bevor.
Mittlerweile, nach 3 Unterrichtsstunden, bin ich mir nicht mehr so sicher ob des so eine gute Idee war.... Am Anfang hab ich echt gedacht, es wird zwar nicht leicht, aber ich kenn ja meine Sprache und dann geht das schon. Aber jetzt tut mir Mal einen Gefallen:
Setzt euch kurz hin und denkt ueber unsere Sprache nach..... Merkt ihr was? Sie ist verdammt kompliziert. Und wenn man dann mal da sitzt und einen Unterricht vorbereiten soll, merkt man immer mehr wie schwierig Deutsch ist.
Mal als Beispiel die Adjektive: du denkst „ach ist ja alles kein Problem, alle Adjektive stehen vor den Substantiven, nicht so kompliziert wie in anderen Sprachen, wo sie manchmal davor und manchmal dahinter stehen“. Nun musst du aber feststellen, dass wir ja vier Faelle im Deutschen haben: Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genetiv, die es im Portugiesischen nicht gibt. Ich glaub da ist schon ein Punkt erreicht, wo so mancher von euch da sitzt wie ein Fragezeichen. Auf jeden Fall haben saemtliche Adjektive fuer jeden Fall eine andere Endung.....
So, das ist das eine, dazu kommt dann, dass ich Potrugiesisch noch nicht so fliessend spreche und grad um solche Sachen erklaeren zu koennen noch sehr viel im Woerterbuch nachschlagen muss.
Wenn dann all das gemeistert ist und ich einen Unterrichtstunde vorbereitet hab, wozu ich immer so ca. 5h brauche, kommt das naechste Problem:
Ich habe fuenf Jugendliche vor mir sitzten, von denen ich nicht weiss wie weit der Bildungsstand ist  und die vorallem auch noch nie eine Sprache gelernt haben, da man das Englisch was die hier in der Schule lernen, vergessen kann. Das heisst sie haben nicht wirklich eine Ahnung was es heisst eine Sprache zu lernen und sind total unselbststaendig. Als Beispiel habe ich ihnen letztens Vokabeln ausgeteilt zum daheim lernen. Da haben sie mich dann gefragt was sie damit machen sollen, ob sie es abschreiben sollen oder ins Heft einkleben, ob das jetzt zur Grammatik kommt oder zu den Vokabeln und und und... Ich hab ihnen dann versucht zu erklaeren, dass sie sie einfach lernen sollen, wie, dass ist mir eigentlich egal. Naja, das Ergebnis in der naechsten Stunde war auf jeden Fall nicht sehr prickelnd.
Also ihr seht, das ganze ist nicht so einfach wie es scheint, aber naja ich werde versuchen weiterhin mein Bestes zu geben und hoffen, dass es zum Erfolg fuehrt.

Sonst hab ich die Woche weiterhin im Kinderhaus gearbeitet. So langsam hab ich auch die noetigen Portugiesischkenntnisse um mir Respekt zu verschaffen, was das Ergebnis hat, dass die Kinder auf das hoeren was ich sage und das ist schon mal sehr gut. Es ist auch immer voll schoen wenn ich morgends komme, rennt der eine Junge immer mit ausgestreckten Armen auf mich zu...
Im Kinderhaus habe ich dann auch eine sehr interessante Weise kennengelernt wie man einen Kuehlschrank abtauen kann. Man stellt sich einfach mit dem Ventilator davor. Ist doch vollkommen logisch.

Am Wochenende war ich samstags auf so einer Kirmes und am Sonntag bin ich eigentlich hauptsaechlich rumgegammelt und habe meinen Berg Waesche gewaschen.... Eigentlich wollte ich da auch meinen Bericht schreiben und mails beantworten, nur hat das Internet nicht funktionniert und als es wieder ging musste Helton was fuer die Uni machten.

Und heute ist Mittwoch und wir haben mal wieder Feirertag, sehr angenehm und so komme ich endlich dazu euch zu schreiben, was jetzt leider das Ergebnis hatte, dass der Bericht sehr lang geworden ist. Ich hoffe, dass einige von euch trotzdem bis hier hin durchgekommen sind, werd echt versuchen in Zukunft in kuerzeren Abstaenden zu schreiben, damit ihr nicht soviel auf einmal lesen muesst.

Da ich soviel aus dem „Kulturschock“ zitiert habe, will ich jetzt auch mit einem Zitat daraus enden, was ich sehr lustig fand:

„So, wie sich Brasilianer begruessen, wuerde man in den USA bereits wegen „sexueller Aggression“ im Kittchen landen.“

Und noch was sehr amuesantes der portugiesischen Sprache: o fio dental heisst eigentlich Zahnseide, aber wenn man von fio dental spricht, kann man genauso den Tanga meinen, da sag ich dochmal: lecker, lecker lecker.....

Also lasst es euch gut gehen und erfriert nicht im kalten Deutschland!!! Bis zum naechsten Mal.

 
     
 

21.10.2006 (Samstag)

 
 

So jetzt kommt auch von mir mal wieder ein Bericht, schaff es leider immer nur am Wochenende zu schreiben, aber ihr koennt ja solang immer Patricks Berichte lesen, damit seid ihr ja dann auch gut beschaeftigt.

 Muss erstmal ueberlegen, wo ich letzte Woche aufgehoert habe zu erzaehlen...aja bei Donnerstag.

Also am Freitagabend war, wie schon angekuendigt, das Konzert von der Band hier aus Santa Fé. Das ganze hat den Hintergrund, dass ein paar Jugendlich sich zusammen getan haben und zu Cleibson (dem Bruder von Helton) gesagt haben, sie wuerden gerne eine Band gruenden. Er hat dann gemeint, dass er ihnen ein Jahr Zeit gibt was auf die Beine zu stellen und er wird dann das ganze drumherum organisieren.

 Am Freitag war es dann soweit, ihr erstes Konzert. Und ich muss sagen, dass ich echt erstaunt war, es war wirklich gut und profisionnell. Es wurde auch richtig viel mit Licht gemacht, was ich nicht gedacht haette. Ausserdem hatten sie noch vier Backroundtaenzer (natuerlich auch aus Santa Fé), die sich eine Choregraphie ausgedacht haben und verschiedene Kostueme anhatten. Die Band hat dann auch eine richtig gute Stimmung gemacht und ganz Santa Fé war am tanzen.

Samstags war dann der grosse Tag fuer die Fanfare, der Wettbewerb stand an. Ich bin morgends um acht aufgewacht, als die erste Fanfare lomaschiert ist und nachts um zwei sind dann die letzten gelaufen, ich bin dann auch mit den Jubelschreien der Siegerehrung um drei eingeschlafen. Nur um euch mal ein Bild von dem "Ausmass" zu machen.  Insegsamt waren es ungefaehr 50 Fanfaren, die in verschiedenen Kategorien angetreten sind. Also so ganz verstanden hab ich nicht was es alles fuer Kategorien gab. Auf jeden Fall gab es welche die ueberhaupt keine Blasblaeser dabei hatten, sondern nur Glockenspiele. Dann welche die eigentlich nur instrumental vorgespielt haben, die hatten dann auch Querfloeten, Klarinetten und Saxophone dabei. Es gab auch eine Kategorie in der nur Kinder gestartet sind usw...

Santa Fé war erst um sechs Uhr dran, was auch gut so war, weil bis zum Schluss an den Kostuemen gebastelt wurde. Des hat mich echt beeindruckt, die sassen stundenlang dran und haben von Hand Perle fuer Perle auf die Kostueme genaeht. Santa Fé hat eine der groessten Famnfaren in Brasilien (mit ca 160 Leuten), was aber erst richtig zum Ausdruck kam, als sich alle mit ihren Kostuemen aufgestellt hatten, war sehr impossant. Sie haben so ziemlich die ganze Laenge der Strasse (ca. 400m) eingenommen. Neben dem "Orchester", dass nur aus Blechblasinstrumenten (jedoch ganz einfachen, mit denen man auch nur drei Toene oder so spielen kann), gab es eine Vorhut, die die Fahenn von Santa Fé, Deutschland (die Fanfare wird hauptsaechlich von Enviro- Chemie aus Deutschland gesponsert), Brasilien und die Wappen der Fanfare trugen. Waehrend dann das Orchester gespielt hat, hat eine grosse Gruppe mit Fahnen und Schwerten verschiedene Figuren und Formationen gemacht (dafuer der Choreograph) und "Ballerinas" haben ihre Kuer vorgefuehrt. Das alles wird dann auch von einer Jury bewertet und nachher gibt es dann fuer die einzelnen Sachen Pokale. Santa Fé hat dann auch vier gewonnen, dass wichtigste fuer sie war, dass sie beim musikalischen ihre Rivalen geschlagen haben.

Jetzt wo ich vor dem Pc sitze, merke ich echt, dass des verdammt schwer ist alles so zu beschreiben, dass es verstaendlich ist, hoff es hat einigermassen geklappt.

Am Sonntag sind wir schwimmen gegangen, als mir das Helton erzaehlte habe ich gedacht wir werden einfach fuer ein paar Stunden in ein Schwimmbad gehen, aber da hab ich mich schwer getaeuscht. Um neun stand die Mutter vom Helton in meinem Zimmer und hat gemeint, dass wir demnaechst fahren. Also habe ich mich geschwindig fertig gemacht und wir sind mit ca. 20 Leuten losgeduest (es sind noch drei Geschwister von Helton mit Familie mit und ein paar Freunde).

Das ganze war dann so ein Zwischending von Schwimmbad und See. Es lag in einer Art Tal, wo es dann zwei Becken gab (das eine mit Bar mittendrin) und drumherum waren Felsen mit Wasserfaellen, war sehr schoen. Nebendran gab es dann einen riessen Platz auf dem ganz viele kleine, offene Huetten stanbden mit jeweils einem Grill und einem Waschbecken. Das des  eine groessere Aktion geben wird, wurde mir bewusst, als wir ankamen. Mitten in der Huette standen zwei riesen Kisten, die eine mit Getraenken gefuellt, die andere mit Fleisch. Es wurde dann aber ein sehr schoener Tag mit viel Sonne und Spass. Naja, die Folge von der Sonne war allerdings auch, dass ich einen richtig schoenen Sonnenbrand bekam, das heisst, dass alles oberhalb der Beine rot war. Mittlerweile ist er aber zum Glueck wieder abgeklungen. Dafuer schaelt sich meine Haut jetzt, trotz tonnenweiser Creme. Das Tolle dort fand ich aber auch, dass einfach jeder sein Auto vor eine Huette gestellt hat, Musik an und dann einfach Spass gehabt hat... Wir sind dann uebrigens abends um neun wieder daheim gewesen.

Unter der Woche habe ich dann wieder im Kinderheim gearbeitet. Die Erzieherinnen dort haben mir dann auch ein paar Familienverhaeltmisse von den Kindern erzaehlt, das ist echt sehr krass. Die eine Mutter ist jetzt 16 und war dann somit bei der Geburt ihrer Tochter 14, bei der anderen trinkt die Mutter und es gibt viel Gewalt, Prostitution und Drogen bei denen zu Hause. Die naechste ist erst 24 und erwartet grad das vierte Kind, da fragt man sich dann doch schon nach dem "Warum", wenn schon das eine wegen Unterernaehrung im Heim ist. Oder dann kommt immer ein Vater, seine Tochter abholen, der ist erst 19 und hat schon zwei Kinder... und so geht des grad weiter.

Ich habe mittlerweile angefangen in den zwei Stunden, in denen die Kids mittags schlafen, Portugiesisch zu lernen, will endlich mehr verstehen und auch mal mitreden koenen, weil wenn die Brasilianer untereinander sprechen, kann ich nur selten folgen und wenn dann versteh ich nur Brocken und reim mir den Rest zusammen. Aber alles in allem kann ich mich eigentlich nnicht beklagen, weil ich erst zweieinhalb Wochen hier bin und das mit dem verstaendigen sonst schon ganz gut klappt.

Abends war ich dann entweder daheim oder bin noch auf die "rua" (Strasse) gegangen, wo sich eigentlich immer ganz Santa Fé trifft.  Am Donnerstagabend habe ich mit Helton und seiner Feundin "Brokeback Mountain" angeschaut, mit  englischem Untertitel, weil Deutschen gabs net. Da hab ich echt gemerkt, dass Englisch zu sprechen, bzw. zu lesen, fast so schoen ist wie Deutsch, man versteht einfach so viel....

Heute Abend waren wir dann auf dem Konzert von Bruno e Marrone, des sind zwei total bekannte und beliebte Musiker in Brasilien. Die Karte hat allerdings nur 25 Reais gekostet, was umgerechnet knappe 10 Euro sind, wenn ich mir da ueberleg, was wir fuer einen bekanten deutschen Musiker zahlen... Das Konzert hat dann auch nicht wie in Deutschland um acht oder so angefangen, sondern um 23 Uhr. Zunaechst kamen aber zwei Vorgruppen, die etwas langweilig waren und um ca 1 Uhr fingen dann Bruno e Marrone an. Es war total gut, die zwei machen echt gute Musik. Wenn es irgendwie klappt, stell ich mal ein Lied auf die Homepage, dass ihr wisst wie sich brasilianische Musik anhoert....

So ich glaube, das wars jetzt im Grossen und ganzen, ich hoff ich habe nichts vergessen.

Ich wolte euch dann noch ein paar interessante Sachen erzaehlen:

Zwei Brueder von Helton sind Polizisten, der eine wohnt hier und der andere in Sao Paulo. Hier in Brasilien ist es jedoch nicht ueblich, dass man seine Waffe auf dem Revier laesst, sondern man traegt sie immer mit sich rum. Robson, der hier wohnt, kommt dann immer reingeschlappt, legt seine Waffe auf einen Schrank und gut ist... Everthon (der aus Sao Paulo) war jetzt uebers Wochenende auch da, mit ihm natuerlich seine Waffe. Die ist dann zum Beispiel einfach im Auto rumgelegen, und er hat sie mir dann zum anschauen in die Hand gedrueckt und dann noch ganz stolz seine Ersatzpatronen gezeigt. Find des ganze irgendweie schon ein bisschen unheimlich.

Die naechste immer wieder interessante Angelegenheit, ist das Auto fahren. Also hier schnallt man sich eigentlich grundsaetzlich nicht an, und wenn doch schnallt man sich bei Ortseinfaht  wieder ab. Aber wenn ihr denkt, dass dann dementsprechend gefahren wird, liegt ihr falsch, ganz im Gegenteil. Dann sind die Strassen in den Orten immer relativ breit, was dann natuerlich zum ueberholen genutzt wird. Oder es werden des oefteren mal mehr wie fuenf Leute transportiert, auch wenn das dann zur Folge hat, dass das Auto bei Vollgas nicht schneller wie 50 km/h faehrt, weil man es zusaetzlich noch total voll geladen hat...

Achja zum Schluss noch was anderes:

Fuer alle die,die denken ich waere eine treulose Tomate, weil ich nie was ueber Patrick schreibe: "Ja, ich liebe ihn noch und ja ich vermisse ihn auch!" und dass weiss er, was ja das wichtigste ist....

So des wars jetzt aber wirklich, machts gut, bis zum naechsten mal!!!

 
     
 

07.10. bis 13.10.2006 (Freitag)

 
 

So ihr Lieben, jetzt komm ich endlich mal wieder dazu euch zu schreiben, is ja jetzt auch schon ne Woche her......

Letzten Samstag hab ich uebrigens die Waschmaschine naeher kennen gelernt, was eigentlich ne sehr lustige Angelegenheit ist (fuer die, die des  immer so machen muessen bestimmt nicht). Ihr muesst euch des ganze so voerstellen, vom Format her ist die Waschmaschine wie bei uns, nur, dass sie net vorne aufgeht, sondern oben. Und dann findet man beim Oeffnen auch nicht so ne hochmoderne Waschtrommel vor, sondern nur sowas wie ne Wanne mit nem Rad dran, welches das Wasser "strudelt". Dann wird erstmal von Hand Wasser in des ganze geschuettet, wohlgemerkt eher kaltes wie warmes, dazu kommen noch zwei handvoll Waschmittel und dann kann losgestrudel werden. Ach,ich muss noch dazu sagen, dass des ganze bei offenem Deckel geschieht, das sich Rubin (5) irgendwann mal draufgesetzt hat und der Deckel dann gebroche ist. Man schmeisst dann eingfach seine Kleider rein und schrubbt dann noch bissle dran rum, also so ne Mischung zwischen Hand- und Maschinenwaesche. Des beste war echt, dass mir des ganze Nona Elsa gezeigt hat und dann gleich mal meine dunkelblaue Jeans mit meinem schoenen weissen Top zusammengeschmissen hat, hab dann versucht mein Top so schnell wie moeglich zu retten. Die weissen Socken, die auch mit dabei sein durften, haben jetzt halt nen leichten Blaustich. Wenn man dann des ganze hin und hergewelkt hat, tut man es dann von Hand in klarem Wasser auswaschen. Die Folge ist, dass mindestens die Haelfte des Waschmittles drin haengen bleibt und die Kleider batschnass sind. Ich bin echt mal gespannt wie es meine Kleidern nach nem halben Jahr  so ergeht.....

Abends waren wir dann noch in irgendeiner Halle, wo ne Band gespielt hat, war eigentlich ganz lustig. Ueberhaupt muesst ihr euch des Ganze so vorstellen, dass abends saemtliche Leute immer auf der Strasse sind und einfach Spass haben, manhat dann auch wirklich seine Schwierigkeiten da noch mit dem Auto durchzukommen, des ist echt krass.

Am Montag hat dann meine Arbeit in dem Kinderheim fuer unterernaehrte Kinder angefanmgen. Des ganze sieht so aus:

8 Uhr: Arbeitsbeginn

8.30- 9.30 Uhr: die Kinder werden gewaschen

9.30-12.00 Uhr: Spielzeit und Mittagessen, die kleinen Kids werden meistens nochmal schlafen gelegt

12.00- 14.00 Uhr: Schlafenszeit fuer die aelteren Kinder (sind die meisten)

14.00- 16.30 Uhr: Spielzeit und Abendessen

Die Arbeit macht mir eigentlich auch ziemlich viel Spass, die Kinder sind alle so zwischen 10 Monaten und 5 Jahren, aber wenn ich abends heimkomm bin ich doch immer sehr geraedert. Zur Zeit ist auch noch die Verstaendigung ziemlich schwer, wobei des bei den Kindern net so schlimm ist, sondern eher mit den Mitarbeiterinnen. Ist halt sehr schade, weil die sehr nett sind.

Aber ich denke ich werd euch wananders mal noch mehr von der Arbeit erzaehlen, weil ich auch erst rei Tage dort war, weil hier naemlich Donnerstag Feiertag war und heute ein beweglicher Ferientag (fuer mich auf jeden Fall).

Falls uebrigens letztens der Eindruck entstand, dass die Familie hier bissle bloed ist, muss ich des gleich zureuecknehmen, die sind echt alle total nett und sehr um mich bemueht....

Was ich jetzt auch noch erzaehlen muss, des find ich total der Hammer. Ich wurd immer gefragt,obs bei uns genauso viel Schwule gibt wie hier. Ich hab mich immer ueber die Frage gewundert und hab halt mal mit "ja" geantwortet, aber seit gestern weiss ich, dass die Frage net unbegruendet ist. Und zwar triffst du hier am laufenden Band Schwule und du musst echt manschmal aufpassen was du sagst und des beste ist echt, dass du meinst, dass die meisten aus "Dem Schuh des Manitus" entsprungen sind, aber wirklich ungelogen, des is einfach zu geil. Vor allem du sitzt dann da und kannst dir des Lachen schon nimmer verkneifen und die lachen einfach mit und finden des ganze genauso lustig.

Da faellt mir dann gleich noch was aus meinem Woerterbuch ein, hab letztens das Wort "lesen" nachschlagen wollen und bin dann ueber "Lesbierin" gestolpert, als ich dann auf das portugiesische Wort geschaut hab, hat sich heraugestellt, dass des ganze wohl "Lesbe" heissen sollt.

So ich glaube des wars im Grossen uund Ganzen auch, morgen findet dann der Fanfarenwettbewrb statt, darauf bin ich echt mal gespannt, werd euch dann berichten. Hab uebrigens jetzt mal gefragt wieviel Leute da mit machen, sind 160, find ich sehr krass.

also machts gut!!!!!!!!!

 
     
 

06.10.2006 (Freitag)

 
 

Helton hat mir heut so bissle das Dorf gezeigt. Zunaecht waren wir in dem Kinderheim, in dem ich ab Montag arbeiten werde. Dort werden tagsueber 15 unterernaehrte Kinder, im Alter zwischen 0 und 5, betreut. Ich bin mal sehr gespannt auf die Arbeit und freu mich eigentlich schon richtig. Dann waren wir noch in der Einrichtung, wo die aeltern Kinder nach der Schule higehen, damit sie nicht auf der Strasse rumhaengen.

Abends war ich beim Blockfloetenunterricht. Da ist es nicht so, dass da alle um  Punkt soundso anwesend sind, sondern es trudeln nach und nach alle ein und dann flaezt man sich wohin und gut is. Aber trotzdem sind auch hier wieder alle mit Herzblut dabei, was man daran sieht, dass viele die stuecke auswendig spielen.

Danach gabs dann noch Generalprobe von dr Fanfare. Da hat sich dann die ganze Truppe mitten auf der Strasse aufgestellt und ist irgendwann losmaschiert, die Autos mussten dann halt warten. Irgendwann kam dann doch die Polizei und hat die Strasse gesperrt....

 
     
 

05.10.2006 (Donnerstag)

 
 

Heute war mein erster Tag in meinem neuen Zuhause. Ich hab erstmal geduscht, weil ich mich noch etwas "stinkig" vom Flug gefuehlt hab und hab dann noch fleissig Portugiesisch gepaukt. Mittags war ich dann mit Helton, seinen zwei Schwestern und der einen Nichte in Maringá (der naechstgroesseren Stadt). Ich war dann mit den Schwestern und der Nichte in einem Park, da Helton an die Uni musste. Dort gab es auch so arme eingesperrte VIecher, die wuerden wahrscheinlich vor Neid erblassen, wenn sie die Zoos in Deutschland sehen wuerden. Auf jeden Fall hatten die Schwestern (muss dazu sagen zwei erwachsene Frauen) nichts besseres zu tun, als die Viecher anzuschreien und ihnen Tic- Tacs zu fuettern. Fand ich schon sehr krass.

Auf demn Heimweg sind wir dann auch an einem Laster vorbeigefahren, bei dem waeren die Tierschuetzer in Deutschland Kopf gestanden, der war zweistoeckig mit ca. einem Quadratmeter grossen Kisten beladen, in denen jeweils vier Schweine waren.

Abends waren ich dann bei der Probe von der Fanfare. Die haben naechste Woche einen Wettbewerb und proben dehalb jeden Tag. In dieser Fanfare sind mehr oder weniger alle Kids aus Santa Fé (wuerd euch gern ne Zahl nennen, aber ich bin schlecht im schaetzen). Die eine Haelfte sind Fahnentraeger und die andere spielen. Aber das "Orchester" besteht nicht aus vielen verschiedenen Instrumenten, sondern nur aus diversen Trommeln und Blechblasinstrumenten, auf denen man widerum nur drei Toene spielen kann, hoert sich auch dementsprechend zum Teil leicht schief an. Auf jeden Fall gibts dann zu dem ganzen eine richtige Choreographie (ganz lustig der Choreographielehrer sieht eigentlich genauso aus wie Dee von Popstars). Normalerweise bin ich ja net so der Maschier- Fan, aber bei denen ist des so klasse, weil alle mit ganzem Ernst und voller Konzentration dabei sind....

Ich war an dem Abend dann auch als Deutsche voll die Atraktion, es haben sich irgendwei staendig Menschentrauben um mich gebildet und mir hat abends der Kopf geraucht vor lauter Portugiesisch...